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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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seinen Kopf hoch. In der Stirn steckte ein Glassplitter von dem Weinglas, das unter der Wucht seines Kopfes zerbrochen war. Demetrios nahm ein Tuch, tauchte es in den Wasserkrug und säuberte das Gesicht.
    »Er atmet«, rief Loukas erleichtert in die Runde. »Vater, komm zu dir«, sprach er unablässig auf den alten Mann ein, der langsam das linke Auge öffnete. Aber er konnte nichts sagen, bestenfalls lallen. Die beiden Söhne trugen ihn ins Bett und schickten nach dem Arzt.
    »Der Schlagfluss«, diagnostizierte der Mönch, der bei Martina Laskarina gelernt hatte.
    Thekla ging kopfschüttelnd auf und ab. »Wie kann er nur so was tun?«, fragte sie vorwurfsvoll, als ob der alte Seeräuber sich diesmal einen besonders schlimmen Streich geleistet hätte.

34
    Palast des Sultans, Edirne, Anatolien
    »Er soll warten!«, brüllte Murad den Wesir an. »Warten! Verstehst du? Mehmed soll warten, bis er schwarz wird!«
    Der Sultan hatte getrunken. Ihn widerten die Geschäfte dieser Welt an, denn sie bestanden allein aus Falschheit und Verrat. Sein Schwager, der Großkaraman, zog gegen ihn zu Felde, um ihn aus Anatolien zu vertreiben, und arbeitete dabei mit den Ungläubigen zusammen, die ein Heer gegen seine balkanischen Besitztümer schickten. Und damit der Falschheit nicht genug, der Dritte im Bunde der Verschwörer war sein eigener Sohn Ali! Er wollte es nicht wahrhaben, aber die Beweise, die ihm sein Vertrauter Chidr Pascha vorlegte, erdrückten jeden Zweifel. Im Schlachtgetümmel wollte er seinen eigenen Vater erschlagen, um sich seines Thrones zu bemächtigen. »Warum nur? Der Narr! Der dumme Narr!«, schrie Murad vor Schmerz auf. Ein, zwei Jahre hätte Ali noch warten müssen, dann hätte sich Murad mit Vergnügen von den Regierungsgeschäften zurückgezogen, denn er sehnte sich danach, sich nur mit Gott und mit der Dichtung zu beschäftigen. Weshalb hatte der Tor denn nicht warten können? Murad quälte die Frage, doch er fand keine Antwort darauf. Nachdem die Beweise vorlagen, drangen seine Wesire auf ihn ein und forderten, dass im Interesse der Sicherheit des Staates der Verräter hingerichtet werden müsse, auf die türkische Art, im Bett erdrosselt. Einen Tag, einen zweiten und einen halben dritten wehrte er sich dagegen, den Befehl zu geben. Schließlich, nachdem er in den Rausch geflüchtet war, sollte er, so sagten die Wesire, die Weisung erteilt haben, Ali zu erdrosseln.
    »Warum die kleinen Prinzen?«, hatte er Chidr Pascha angebrüllt, als der den Vollzug meldete. »Weil Ihr es so befohlen habt«, antwortete der ungerührt. Murad geriet ins Drehen, als ob das Schicksal mit ihm Kreisel spielte, ein trunkener Himmelskörper, ein tanzender Derwisch, den es aus der Bahn trug. Ist es schon widernatürlich, dass ein Vater seinen Sohn töten lässt, so ist es ein Frevel, wenn auf seinen Wunsch hin auch die unschuldigen Enkel sterben müssen. Hatte Allah Mord nicht als Verbrechen verboten? Murad hielt sich für den sündigsten Menschen auf Erden. Trost konnte es nicht mehr geben. Stattdessen stand dieser Sohn, den er nie haben wollte, vor der Tür, dem nun, nachdem seine besseren Brüder von Allah abberufen worden waren, der Weg zum Thron offenstand. Er hatte Mehmed nach der Geburt nur noch einmal kurz beim Beschneidungsfest gesehen. Doch jetzt zwang ihn die Nachfolge, dass er sich mit ihm beschäftigte.
    »Lass den kleinen Teufel rein«, sagte Murad resigniert und setzte sich auf seinen Thron. Halil Pascha zog einen Jungen mit recht hellen, gekräuselten Haaren und dunklen Augen hinter sich her. Murad meinte, einen leichten Silberblick auszumachen. Mehmeds gebogene, krumme Nase war lang, aber rasiermesserschmal.
    »Verneig dich vor dem Großherrn«, flüsterte ihm der Pascha zu. Das Kind tat es, wie ihm schien, widerwillig.
    »Nenne mir die Pflichten eines Muslims.« Der Junge schwieg. »Mach schon!«, fuhr ihn der Sultan an.
    »Weiß ich nicht«, antwortete der Junge emotionslos.
    »Weißt du, wer die Leute der Veranda sind?«
    »Ve, Ran und Da vielleicht?« Murad musterte den Knaben. Machte er sich über ihn lustig, oder war er wirklich so einfältig?
    »Die vier recht geleiteten Kalifen, aber schnell!« Er verlor die Geduld, sich weiter mit dem Gimpel abzugeben. Von dem Kind kam keine Antwort. Außer sich vor Zorn befahl er Halil Pascha, Mehmed zu entfernen und die Amme herbeizuschaffen. Kaum stand Daje-Chatun im Raum, da prasselten schon die Worte Murads auf sie nieder. »Ich habe dir meinen Sohn in Obhut

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