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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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näher, vorsichtig, denn obwohl sie in der Überzahl waren, jagten ihnen die beiden Ritter Respekt ein. Seltsam genug, begann zu dieser vollkommen falschen Zeit eine Nachtigall zu singen.
    »Das ist die Stimme deines ungeborenen Kindes, Alexios. Es ruft dich! Nun mach, auf mich wartet keiner«, rief Otto. Dann hob er das Schwert und begann mit grimmiger Freude zu singen, während er auf die Türken einhieb: »Ich freu mich noch der lieben Stund, da sie zum Diener mich erkor, des heiaho!«
    Der wilde, brüllende Mann mit dem Schwert in den Händen und den blutunterlaufenen Augen erschreckte die Feinde. Die Nachtigall indes ließ sich nicht beeindrucken, sondern rief weiter. Sich die Lippen blutig beißend, stieg Alexios auf das Pferd und ritt los. Er trieb das Tier ordentlich an und hörte noch:
    »Und hoff, ihr rosenroter Mund zieh aus den Sorgen mich empor, dem sei also!«
    Dann verstummte Ottos Gesang, und auch die Nachtigall rief nicht mehr. Nur das Geschrei der Verwundeten und der Sterbenden hallte ihm noch eine Weile nach. Später erfuhr Alexios, dass nur wenige, unter ihnen Johann Hunyadi, dem Gemetzel entkommen konnten. Was er nicht erfuhr, war, dass Otto von Weißenburg eine ganze Stunde auf seinem Hügel ausgehalten hatte und die Türken Verstärkung herbeirufen mussten, ehe es ihnen endlich gelang, den Hünen niederzustrecken.
    *
    Wie er nach Hause gekommen war, wusste er nicht. Nur von seinen Instinkten geleitet, passierte er das Gebirge und durchritt Thrazien, bis er schließlich zwei Wochen später vor dem Charisius-Tor stand. Kurz hielt er inne, dann lenkte er das Pferd nach Blachernae. Es war ein grauer Tag, und Schneeregen fiel. Durch den Matsch trabte er zu seinem Palast, übergab einem Diener, der mit dem freudigen Ruf herauskam: »Der Herr! Der Herr ist zurück!«, die Zügel, überwand mit zwei Schritten die vier Stufen der Außentreppe, benötigte vier weitere Schritte für das Podest, dann stand er im Vestibül. In einem langen weißen Kleid kam Ioanna die Freitreppe im Inneren herab. Und als ob das nicht schon der schönste Anblick gewesen wäre, dessen er im Leben teilhaftig wurde, trug sie zudem ein Kind auf ihren Armen. Vor Glück ging der Fürst auf die Knie. Zwei Diener sprangen ihm bei und halfen ihm wieder auf die Beine. Er sah in ein kleines Gesicht und in lachende Augen. Die Fingerchen bewegten sich wie Schmetterlingsflügel. »Deine Tochter, Alexios.« Der Fürst schluckte. Er war sich vollkommen sicher gewesen, dass er einen Sohn bekommen würde, doch fühlte er keine Enttäuschung, nur Glück. »Wie heißt sie?«, fragte er mit rauer Kehle.
    »Zoë«, antwortete Ioanna.
    »Das Leben.«
    »Ja, weil sie unser Leben ist, deines und meines.«
    Der Fürst brauchte einige Wochen, ehe er zur Ruhe kam und sich zurechtfand mit seinen Gefühlen, die Ereignisse von Varna, den Tod von Otto und seine Flucht verarbeiten konnte, gleichzeitig aber das Glück zu ertragen vermochte, mit seiner Frau und seinem Kind zu leben.
    Schließlich fühlte er sich stark genug, zum Geheimen Rat zu gehen. Nachdem er mit größter Freundlichkeit, die er unnahbar und mit düsterer Miene über sich ergehen ließ, empfangen wurde, berichtete er dem Kaiser und den Ratsmitgliedern mit knappen und galligen Worten von der Katastrophe von Varna.
    »Wo, Johannes, blieben die versprochenen Truppen? Wir hätten siegen können!«
    Unmut zeichnete sich auf der Stirn des Kaisers ab, aber auch Furcht in seinen Augen. Er geriet ins Stottern. »Fürst, ich halte Euch Eure Erregung zugute. Im Übrigen, so wie das Abenteuer ausgegangen ist, war es zum Wohle unseres Reiches, dass wir neutral geblieben sind.«
    »Neutral?«, spürte Alexios beim Fragen heißen Zorn in sich aufsteigen. »Nennt Ihr das neutral, wenn plötzlich der Sultan aus Anatolien auf dem Schlachtfeld in Bulgarien auftaucht? Wie sind trotz Blockade seine Truppen über den Bosporus gelangt?« Johannes zuckte die Achseln. Der Fürst blickte in die Runde. »Ihr steckt alle unter einer Decke, oder? Ich sage es euch noch einmal: Wir hätten siegen können, aber wir sind verraten worden! Ihr habt unsere Tradition, unser Reich und das Christentum verkauft. Es wird schlimm ausgehen. Die Hölle wird sich auftun und uns verschlingen. Die Zeit, die noch verbleibt, will ich nicht vergeuden, sondern mit meiner Familie verbringen. Ich frage auch nicht nach den Verrätern. Die Rache ist mein, spricht Gott, der Herr. Ich trete von allen Ämtern zurück. Betrachtet mich als

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