Byzanz
festgestellt, dass er nicht unbedingt auf die Unterstützung der unter türkischer Herrschaft lebenden Christen, seien es Griechen, Makedonier oder Bulgaren, rechnen konnte. Viele von ihnen hatten sich mit den neuen Herren, die sie in ihrer Religionsausübung nicht behinderten, arrangiert. Einige meinten sogar, dass es ihnen unter den Türken besser erginge als unter den Rhomäern. Obwohl Alexios keine allzu hohe Meinung vom Volk hatte, das er für wankelmütig und kurzsichtig hielt, keiner Entscheidung fähig und eines strengen Herrn bedürftig, weil es letztendlich allen Einflüsterungen erlag, hatte er doch immer geglaubt, dass Christen die muslimische Herrschaft ablehnen würden – und musste sich selbst in seinen geringen Erwartungen noch gründlich getäuscht sehen. Doch daran mochte er jetzt nicht denken. Lieber genoss er den erhabenen Anblick. Am Zusammenfluss von Donau und Save erhob sich die Festung des Despoten von Serbien über die weiße Stadt und versprach Sicherheit. Erst nach einer Weile, nachdem er das Bild förmlich in sich aufgesogen hatte, gab der Fürst das Signal zum Weiterreiten.
Durch das doppeltürmige Zidan-Tor zog er mit seiner Eskorte in die wehrhafte Stadt ein. Dann folgten sie der Straße hinauf zur Festung. Über die Holzbrücke, die einen Wassergraben überspannte, betrat Alexios die Burg und ließ sich bei dem Despoten melden. Er musste nicht lange warten. Schon bald kam ihm der Marschall des Herrschers entgegen, begrüßte den Gast, ließ die Pferde in die Stallungen und die Reiter der Eskorte in ihre Unterkünfte bringen. Alexios aber führte er in den Palast. Ihm wurden drei Kemenaten im ersten Stock, unweit des Rittersaales zugewiesen.
Kaum hatte er die Räumlichkeiten betreten, schoben ein paar Mägde lachend und scherzend einen großen Holzzuber in das erste Zimmer. Alexios bedauerte, dass er ihre Sprache nicht verstand. Andere schleppten warmes Wasser herein. Dann halfen ihm zwei Frauen mit blonden Zöpfen beim Entkleiden. Als er einer von beiden an die Brust griff, verfinsterte sich ihr Blick, und die Serbin überhäufte ihn mit einem Redeschwall, in dem er auch ohne Kenntnis der Sprache Flüche erkannte. Er hatte sich verschätzt – so weit ging die Dienstbereitschaft offenbar nicht.
Das warme Wasser mit den Kräuterzusätzen tat ihm gut, entspannte ihn und wusch ihm den Straßenstaub vom Körper. Wenn sein Blick aus dem Fenster glitt, konnte er die Donau-Insel sehen. Damit er nicht in der Straßenkleidung vor dem Despoten erscheinen musste, legten ihm die Mägde eine baumwollene Hose und ein teures Gewand aus Damast mit einem Muster aus goldenen, roten und schwarzen Fäden bereit. Eine ältere und kräftige Dienerin half ihm beim Abtrocknen und Anlegen des Gewandes. Dann rief sie laut und kehlig »Mitko!«
Ein Junge in weißen Hosen und weißem Hemd betrat das Zimmer. In akzentfreiem Griechisch bat er Alexios, ihm zu folgen. Sie durchquerten den Rittersaal und erreichten eine kleine Halle, in deren Mitte eine gedeckte Tafel stand, an der einige Männer und Frauen saßen. Ein mittelgroßer Mann mit grauen Haaren und einem durchgeistigten Gesicht erhob sich und kam Alexios entgegen. Das musste Stephan sein.
Alexios machte sich bewusst, dass er sich nicht von dessen kultiviertem und intellektuellem Auftreten täuschen lassen durfte. Seit der Despot mit seinen schweren Panzerreitern gemeinsam mit dem Sultan Bayazid in der Schlacht von Nikopolis vor über zwanzig Jahren den Sieg gegen den Ungarnkönig Sigismund erzwungen hatte, freilich gegen christliche Gegner, und es ihm nach tapferer Gegenwehr in der Schlacht von Ankara gelungen war, mit seinen Männern dem Tod zu entrinnen, galt er als einer der kühnsten Feldherren. Dass er bei Nikopolis Partei für die Osmanen ergriffen hatte, lag allerdings nur daran, dass er die Ungarn aus tiefster Seele hasste. Vor Stephan Lazarewitsch hieß es, auf der Hut zu sein.
»Fürst Alexios, seid willkommen, herzlich willkommen mit all Euren Männern!«
Alexios verneigte sich. »Herr!«
»Ihr werdet hungrig sein, setzt Euch zu uns und esst mit uns!«
Formvollendet und dennoch zügig stellte Stephan Lazarewitsch dem Fürsten die Menschen an seiner Tafel vor. Alexios konnte sich in der Eile nicht alle Namen merken, achtete aber darauf, die wichtigsten im Kopf zu behalten. Stephans Frau, Helena, war zwar die Tochter des Herrn von Lesbos, des Genuesen Francesco Gattilusi, doch stammte sie mütterlicherseits von den Palaiologen ab, denn
Weitere Kostenlose Bücher