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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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ein bestimmtes Quantum Atem für sein Leben vorgesehen, das er nicht verschwenden durfte.
    Sie beschloss, direkt auf ihr Ziel loszugehen. »Ist Demetrios Notaras begabt?« Nicht einmal das kleinste Haar seines schwarzen Bartes zitterte bei seiner Antwort. »Gott gab ihm die Fähigkeit, das Urbild zu schauen und das Geschaute in ein Abbild zu bringen.«
    Eirene unterdrückte den aufkommenden Sarkasmus, denn dieser wortkarge Mönch verbrauchte ihre Geduld. Aber dem aufsteigenden Zorn freien Lauf zu lassen würde nichts nützen, so zwang sie sich weiter zur Freundlichkeit. »Ich würde Demetrios gern helfen.«
    »Gott hilft ihm.«
    Ihr fiel auf, dass Dionysios nicht einmal fragte, was sie dazu trieb, sich für den Jungen einzusetzen. Entweder ahnte er es, oder es interessierte ihn nicht. Sie vermutete Letzteres.
    »Was, wenn er nicht mehr malen darf?«
    »Dann ist es Gottes Prüfung.«
    »Wie kann man nur so hartherzig sein!«
    »Woher wisst Ihr, dass sein Talent nicht diesen Widerstand braucht, um zu reifen?«
    Die Antwort verblüffte sie.
    »Zum Gipfel führt kein gerader Weg. Gott sei mit Euch!«, erklärte der Mönch herablassend, schlug ein Kreuz und schlurfte langsam auf die Tür zu. Es schien ihr, als fand das Leben des Mönchs, alle seine Regungen in demselben bedächtigen Rhythmus statt. Vor dem kleinen Gemälde eines venezianischen Malers, das Maria mit dem Jesusknaben, dem heiligen Hieronymus und dem heiligen Antonius zeigte und das die Lateiner sacra conversazione nannten, blieb Dionysios unerwartet stehen und betrachtete es kopfschüttelnd.
    »Große Technik, kleiner Glaube«, murmelte er und ließ Eirene allein.
    Sie nahm sich vor, mit Thekla über Demetrios zu reden.
    Wenige Tage später ergab sich die Gelegenheit dafür. Zu ihrer Enttäuschung lehnte auch Thekla den Wunsch ihres Sohnes ab, Maler zu werden, und teilte die Auffassung ihres Mannes.
    »Eines gar nicht mehr so fernen Tages wird Loukas das Handelshaus übernehmen. Dann braucht er jemanden, auf den er in jeder Lage zählen kann.« Mit einem geduldigen Lächeln schaute Thekla ihrer künftigen Schwiegertochter in die Augen. »Sag selbst, wem kann man vorbehaltloser vertrauen als seinem Bruder? Die Welt ist schließlich voller Feindschaft, Neid und Verrat.«
    Demetrios tat Eirene leid, doch sie musste einsehen, dass sie im Moment nichts für ihn tun konnte.
    So flossen die Tage träge dahin. Der Sommer hatte den Frühling abgelöst. Und noch immer war weder Loukas noch eine Nachricht von ihm eingetroffen. Er war längst überfällig. Was war nur geschehen?

30
    Residenz des Prinzen Murad, Amasia
    Vom Kamm aus blickte Loukas Notaras auf Amasia herab. Die Provinzhauptstadt lag malerisch schön in einem wildromantischen Kessel, den vor Urzeiten die beiden rauen Gebirgsflüsse geschaffen hatten, die sich hier, aus unterschiedlichen Richtungen kommend, tosend vereinigten. Der Himmel spannte sich über ihm wie ein hohes blaues Zelt. Die Sonne brannte ihm in den Nacken, und wilder Thymian und fallendes Wasser kitzelten seine Nasenschleimhäute.
    Die selbstbewussten Kuppeln der Moscheen von Amasia, vor denen schlanke Minarette salutierten, die Dächer der Paläste und Wohnhäuser drängten gegen die Felswände des Kessels. Kaum hatte Loukas mit seinen Begleitern die Stadt betreten, da wurde hinter ihnen das Tor geschlossen, und sie sahen sich umringt von einer Übermacht der Janitscharen, den Elitesoldaten des Sultans. Bogenschützen zielten auf sie.
    »Legt eure Waffen ab«, rief ihnen ein junger Mann zu, der nur um ein Weniges älter als Loukas zu sein schien und einen leuchtend roten Turban trug. Seine Hände umfassten gelassen die Borten seines reich bestickten Mantels, unter dem er eine blaue Tunika trug. Der Mann strahlte Reichtum und Selbstbewusstsein aus. Loukas fühlte Eudokimos’ fragenden Blick auf sich ruhen. Die Falle war zugeschnappt, und sie saßen darin fest. Nur warum?
    Die Bogenschützen ließen nicht den geringsten Zweifel aufkommen, dass ihre Pfeile sie auf der Stelle durchbohren würden, wenn sie auch nur nach ihrem Schwert zu greifen wagten. Loukas nickte und schnallte langsam und bedächtig das Wehrgehänge ab. Seine Leute taten es ihm gleich. Dabei dachte er an Jakubs Warnung, dass des Sultans Späher und Spione überall schnüffelten. Für einen Moment fürchtete er, dass eine Intrige des Fürsten Alexios Angelos dahintersteckte, um doch noch seine Hochzeit mit Eirene zu verhindern. Jetzt fiel ihm auf, dass sich außer den

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