Byzanz
für die Befriedigung seiner Bedürfnisse sorgen wollen. Aber er verwarf den Gedanken.
Wie aus einem Rausch erwachend fragte er sich, was er hier eigentlich tat. Fern der Heimat lag er in einem Bergschloss in einem fremden Bett, eine Marionette der Launen einer kapriziösen Königin, und kam doch keinen Schritt dabei voran, eine Allianz der Christen gegen die Osmanen zu organisieren. Je länger er darüber nachdachte, desto stärker wuchs sein Zorn. Und dann begriff er die ganze Wahrheit: Barbara war es, die ihn aus dem einfachen Grund zur Weißglut trieb, weil sie es wagte, was noch keine Frau sich ihm gegenüber erlaubt hatte: Sie spielte mit ihm! Und er? Tapste geduldig in ihre Finten. Wie ein Bär, der sich am Nasenring vorführen ließ. Tief in seinem Innern wusste er plötzlich, dass er sein Gleichgewicht erst dann zurückgewinnen würde, wenn es ihm gelänge, sie zu demütigen. Der Gedanke, dass sie nur ein paar Säle und Kemenaten weiter ihren sündigen Leib in ihr Bett wühlen würde, erregte ihn über alle Maßen.
Aus der schlichten Tatsache der Nacht und der Nähe zog er den abenteuerlichen Entschluss, ihr einen Besuch abzustatten. Er erhob sich vom Lager, streifte eine Tunika über seinen nackten Körper, die ihm bis zu den Kniekehlen reichte, und öffnete leise die Tür. Ein wildes Lächeln beherrschte seine Gesichtszüge, und in seinen Augen funkelte es gefährlich. Fackeln erhellten den Flur, der auf einen breiten Gang mündete. Er stand im dunklen Rittersaal. Ein Leuchter mit drei Kerzen, die man offenbar zu löschen vergessen hatte, wehrte sich tapfer, aber mit mäßigem Erfolg gegen die Finsternis, die von außen durch alle Fenster und Ritzen kroch. Der Saal schien nicht allzu groß zu sein. Er roch nach gescheuerter Dielung und altem Holz. Eine gegenüberliegende Tür, die sich rechts vom Kamin befand, führte in einen finsteren Gang. Alexios brach eine Kerze vom Leuchter und folgte dem breiten Korridor, der sich verjüngte und schließlich gabelte. Der Fürst entschied sich instinktiv, die Wendeltreppe nach oben zu benutzen. In der oberen Etage angekommen, hielt er sich links. Gegen die Fenster zur Rechten drückte die Undurchdringlichkeit der Nacht. Ihm kam es vor, als höre er Geräusche, die ihm allerdings nicht menschlichen Ursprungs dünkten. Oder doch? Sie klangen verhaucht und verwischt. Einen Augenblick lang erwog er, die Kerze zu löschen, doch die Dunkelheit war zu umfassend, als dass er auf das Licht hätte verzichten können, zumal er sich in der Burg nicht auskannte. Diese verwinkelten, düsteren Gemäuer unterschieden sich in ihrer Bauart doch sehr von den Kastellen der Griechen! Dunkle Augen blitzten ihn, vom Schein der Kerze erfasst, aus der Finsternis an. Beim Näherkommen erkannte er, dass sie einem großen weißen Hund gehörten, einem Kuvasz, der gefährlich knurrte. Alexios schätzte, dass der Hund, wenn er sich erheben würde, ihm bis zum Bauch reichen würde. Sollte er sich freilich aufrichten, dann überragte er ihn sogar. Alexios spürte die Kraft des Tieres, seinen Eigensinn und seinen Willen. Langsam stellte sich der Hund auf seine Beine, bereit zum Angriff, wenn Alexios noch einen Schritt setzen würde. Dabei schien das Tier nur aus Fell und Muskeln zu bestehen. Es war ratsam, sich zurückzuziehen, doch seine Neugier war nun einmal geweckt. »Nur ruhig! Was bewachst du, mein Guter?«, flüsterte er dem Hund zu, der sich unbeeindruckt zeigte. Er schlug an. Aus den Tiefen des Palastes erscholl ein Pfiff. Der Kuvasz spitzte sofort die Ohren, dann folgte ein zweiter Pfiff. Der Hund machte kehrt und rannte in die Richtung, aus der die Töne gekommen waren. Alexios erwog die Möglichkeit, dass ihn jemand warnen oder ihn auf die Probe stellen wollte. Letzteres hielt er für wahrscheinlicher. Sie rechnete also mit ihm. Was mochte dieses königliche Luder sich diesmal für ihn ausgedacht haben? Beherzt setzte er seine Erkundung fort und dachte grimmig, dass er sich auf dem richtigen Weg befand. Er schalt sich, nicht einmal einen Dolch mitgenommen zu haben.
Er durchquerte einen dunklen Saal, dessen Größe ihm nicht zu schätzen gelang. Vor ihm zeichnete sich eine Tür ab. Sie führte in eine Art Vorraum. Er spürte etwas Hitziges, Intimes, in das er eintauchte. Etwas warnte ihn, weiter vorzudringen. Obwohl er wusste, dass es kein Zurück mehr gäbe, wenn er diese rote Linie überschreiten würde, vermochte ihn kein noch so vernünftiger Gedanke zurückzuhalten. Er wollte
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