Byzanz
Ohnmacht.
32
Jagdschloss der ungarischen Königin, Karpaten
Als er gegen Mittag wie neugeboren erwachte, erinnerte er sich an die Nacht und wusste sofort, dass er nicht dem Gaukelspiel des Traums erlegen, sondern mit der Wirklichkeit konfrontiert worden war, mit der Wirklichkeit seiner Bestimmung. Vergnügt sprang er auf. Wie einem Jungbrunnen entstiegen. Sein Blick fiel auf das frische Wasser in der Schüssel, das ihm ein zufriedenes Lächeln spiegelte.
»Ach, Frauen!«, entfuhr es ihm voller Freude.
Der Fürst verstand weder die Sodomiten noch die Asketen. Allesamt Idioten! Aber gut, dachte er, es soll ja auch Gegenden geben, wo die Leute auf dem Kopf laufen wie wir auf den Füßen, oder sich auf ein Nagelbrett setzen wie wir auf Daunen, und es wunderbar finden. Mit Schwung goss er die Schüssel mit dem Wasser über seinem Kopf aus und prustete. Kaltes Wasser aus einer Gebirgsquelle, jubelte er innerlich. Zu seinen Füßen bildete sich ein See. Der Fürst riss die Tür auf. Nackt, wie er war, trat er auf den Gang und brüllte: »Heh, heh!«
Eine Magd im besten Alter und pumpelrund ließ sich blicken.
»Bring mir Wasser, mehr Wasser!«, befahl Alexios.
Die Magd verstand ihn nicht. Seine Nacktheit beeindruckte sie indes nicht im Geringsten. Sie war schon zu lange Magd, um sich von den Anwandlungen der hohen Damen und Herren verwirren zu lassen. Sie besaßen Geld, sie besaßen Macht, aber kein Benehmen, auch keine Gottesfrucht, deshalb würden sie in der Hölle enden.
Um sich verständlich zu machen, drückte er ihr die leere Schüssel in die Hand. Dabei kam er ihrem Gesicht so nahe, dass beinahe ihre Nasenspitzen zusammenstießen.
»Wasser!« , brüllte er mit weit aufgerissenen Augen, in der irrigen Vorstellung, dass sie ihn dadurch besser verstehen würde.
»Ah, apa !«, sagte die Magd und grinste. Die Verbindung seines nackten Körpers mit der leeren Schüssel verriet ihr, was der Fürst von ihr wollte.
Während er auf sie wartete, fuhr er sich belustigt über Kinn und Wange. Seit die Türken dem Fürsten auch die scharfe Klinge abgenommen hatten, die er zur Rasur benutzte, wuchs ihm ein kräftiger Vollbart. Er würde sich nach einem Bader erkundigen, der ihn von dem Gestrüpp in seinem Gesicht befreite. Zwar trugen fast alle Adligen in Byzanz einen Vollbart, so lang wie gepflegt, doch er hasste diese Mode. Hatten denn Konstantin der Große oder Justinian einen Vollbart getragen? Nein, na also! Warum dann ihr Nachfahre? Diese schmutzige Sitte würde er in tausend kalten Wintern nicht übernehmen, wie es Manuel und Johannes taten.
Ein paar frische Striemen auf seinem Rücken, deren Schorf zu trocknen begann, zwickten. Offenbar hatte Clara ihn in der Nacht gekratzt, ohne dass er es bemerkt hatte. Er liebte es, eine Frau so weit zu treiben, dass sie in ihrer Lust ihre Fingernägel tief in seinen Rücken grub. In seiner Vorstellung aber schrieb er Barbaras Fingernägeln die Schrammen an seinen Schulterblättern zu.
Mit ihren kräftigen Armen, die fast den Umfang seiner Oberschenkel erreichten, trug die Magd eine größere Schüssel mit Wasser herein. Bevor sie wieder verschwand, warf sie einen missbilligenden Blick auf den See zu seinen Füßen. Die hohen Damen und Herren verursachten nur Arbeit!
Diesmal wusch er sich, bevor er erneut die Schüssel über seinen Kopf leerte. Danach trocknete er sich ab. Über die blauen Beinkleider zog er ein weißes Hemd und ein blaues Wams. Die Tür zur Kemenate ließ er offen, um den Dienern zu signalisieren, dass sie sein Zimmer zu reinigen und das Wasser aufzuwischen hatten. Jetzt fühlte er sich frisch und verspürte erst mal einen Bärenhunger.
Im Rittersaal erwarteten ihn bereits die Königin und ihr Liebhaber. Er erkannte ihn sofort, obwohl er nur eine Gesichtshälfte gesehen hatte. Als er die beiden im vertraulichen Gespräch über Eck an der langen Tafel entdeckte, erhielt seine gute Laune einen beachtlichen Dämpfer, und Eifersucht stieg in ihm hoch. Den anderen hatte er längst verdrängt gehabt, doch nun erinnerte ihn der Anblick daran, dass er in Wahrheit nicht mit Barbara, sondern mit ihrer Zofe geschlafen hatte.
Der Fremde wies mit einem spöttischen Lächeln Barbara auf das Eintreffen des Fürsten hin. Machte er sich etwa darüber lustig, dass er die Königin und Alexios nur die Zofe gehabt hatte, er also im Rang unter ihm stand? Zur Eifersucht gesellte sich das Gefühl verletzten Stolzes.
Sie wandte sich ihm zu. Einen Geflügelknochen, den sie
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