Byzanz
weiter, ganz gleich, wohin ihn dieser Weg führen würde, weiter bis zum Schluss. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Dann vernahm er gutturale Laute, gedämpft, zurückgehalten, rhythmisch wie eine Einladung, wie eine Rede an ihn, gehalten in der reinen Sprache des Verlangens. Ein Lautteppich luzider Lüste. Er stand kurz davor, etwas zu entbergen. Der Rausch, zum Zeugen, mehr noch, zu einem notwendigen Teil des Unfasslichen zu werden, das hier vorging, stieß ihn in einen Taumel der Gefühle, der jede Vernunft betäubte. Nichts war ihm jetzt gewisser als dies: Barbara, die Königin des Heiligen Römischen Reiches, wünschte es geradezu, ihn ins große Geheimnis einzuweihen.
Alexios wusste nur nicht, weshalb sie das wollte. Doch zur Freude am Verbergen gehört der Drang zum dezenten Verrat des Geheimnisses. Gerade im Öffentlichen des Geheimen liegt der Reiz des Verborgenen. Wer aber das Verbergen verbirgt, löscht sich aus, der kippt Wasser ins Wasser. Kein Zweifel, nicht aus Zufall befand er sich an diesem Ort. Er war längst Teil des großen Spiels, dessen Regeln er noch nicht kannte. Doch ob es der Wille Gottes, eines Teufels, eines Dämons oder nur einer Frau war, vermochte er nicht zu entscheiden. Er ahnte nicht einmal, dass er so lange im Dunkeln tappen würde, solange er dachte nur eine Frau. Weil sie kein Mann war, unterschätzte er Barbara immer noch, so wie es ihn seine Erfahrung gelehrt hatte. Eirene, klug und anders als andere Frauen, zählte da nicht. Nicht sie, sondern der alte Notaras hatte sich ihm gegenüber durchgesetzt. Eirene blieb in seinen Augen nur eine verwöhnte und arrogante Palaiologina, so überheblich und lebensuntüchtig wie ihre ganze Sippe, deren Zeit gnadenlos und unweigerlich ablief. Fortuna war treulos, und die Geschichte kannte kein Mitleid. Rachsüchtig war allein die Macht. Niemals verzieh sie demjenigen, der sie einmal geritten hatte! Und in der Stunde, in der er die Zügel locker ließ und nicht mehr sicher im Sattel saß, würde sie ihn abwerfen, um auf ihm herumzutrampeln. Aber das würde ihm nie widerfahren, nicht ihm! Denn mit ihm, mit Alexios Angelos, würden eine neue Pracht und eine neue Herrlichkeit des alten Reiches anbrechen, eine neue Epoche ihren blutleuchtenden Anfang nehmen.
Jetzt verstand er es! Darum, allein aus diesem Grund, war es Alexios bestimmt, sich der Königin zu nähern – weil sie den hohen Rang teilten. Doch teilten sie ihn wirklich? Stand ein römischer König nicht unter einem byzantinischen Kaiser, einem Nachfahren Konstantins und Justinians? Würde er einst als Kaiser weit über Barbara, einer lateinischen Königin, stehen? Die von diesem Tag an nur noch den Saum seines Gewandes küssen dürfte?
Er hatte den Vorraum fast durchschritten, da berührte ihn ein kühler Luftzug, der von einem geöffneten Fenster zu kommen schien, und blies die Kerze aus. Grauen Rauch schluckte sanft die Finsternis. Wie der Rauch den glimmenden Kerzendocht würde einst auch die Seele sich vom Körper trennen, dachte er mit einem schiefen Lächeln. Er ahnte nur, dass, nicht aber was geschehen würde. Wie ein einsames Glühwürmchen tanzte im Dunkeln ein Lichtschein. Kleine spitze Schreie sprangen immer wieder von einem durchgängigen Stöhnen ab. Er tastete sich mit seinen Füßen behutsam dem Flackern entgegen und tauchte dabei selbst immer mehr in das Stöhnen ein, konzentriert, sorgsam, um selbst kein Geräusch zu verursachen. Dabei spürte er, wie sich das Blut in seinem Glied sammelte, langsam, nicht auf einmal, Tropfen für Tropfen. Er zwang sich, kühl zu bleiben, versuchte an Banalitäten zu denken, doch es misslang. Der Ort barst vor Lust. Ein Rückzug kam nicht infrage.
Aus den Spalten zwischen einem schweren Damastvorhang und der Wand drang warmes Kerzenlicht. Vorsichtig schob er den Stoff beiseite. Zuerst fiel ihm ihr fließendes blondes Haar ins Auge, das sie offen trug und das mühelos ihren runden, etwas großen Po erreichte. Sie trug ein rotes Kleid und saß rittlings auf einem nackten Mann, der unter ihr auf einem Teppich aus zusammengenähten Schaffellen lag. Von dessen Gesicht sah der Fürst nur die rechte Hälfte, den Rest verdeckte Barbaras Körper. Schwarze glatte Haare mit einem vor der hohen Stirn zurückweichenden Ansatz, überraschend schmale Augenbrauen über fast runden, großen blauen Augen. Unter der Nase zwirbelte sich ein Schnauzer, der die Oberlippe verdeckte und dadurch die Unterlippe und das energische Kinn stärker hervortreten
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