Byzanz
undamenhaftesten Flüche nicht zum Ziele führten, verlegte sich Sophia schließlich aufs Schimpfen und Drohen. Sie nannte den Kapitän nur noch il diavolo greco , den griechischen Teufel, oder figlio di puttana , Sohn einer Hure – und was dergleichen Schmeicheleien mehr waren. Loukas nahm davon keine Notiz und zog sie ungerührt zur Bordwand. Dort zwang er sie, das Fallreep hinunterzusteigen, wobei er sie so lange festhielt, bis der Bootsführer sie umfassen und auf das heftig schaukelnde Boot heben konnte, während die Bootsleute und die Matrosen Boot und Schiff mit Haken mühsam beieinanderhielten. In gleicher Weise verfuhr man mit den Zofen. Dann übergab der Kapitän das Kommando an den Steuermann und stieg ebenfalls um. Vom Boot aus entdeckte er eine kleine Gruppe von Menschen, die das Kynegos-Tor passierten und sich eilig zum Hafen begaben. Sie trafen gleichzeitig ein. Den Ersten Minister des Kaisers erkannte er sofort an seinem prächtigen weißen Hut, der, konkav, wie er war, einem kräftig gestauchten Turm glich. Ein Windstoß stieß den Hut vom Kopf, spielte mit ihm und entführte ihn in die Finsternis des Orkans. Loukas verfolgte, wie das Weiß der Kopfbedeckung in den grauschwarzen Wolken verschwand. Hilflos schaute der Erste Minister dem Zeichen seiner Würde nach. Der Kapitän kletterte derweil vom Boot und hob die Gräfin auf den Kai. Dann begleitete er sie zu der kleinen Abordnung. Sie verkürzte das Empfangszeremoniell des hohen Beamten und wünschte, »subito« in den Palast gebracht zu werden.
»So können ich niemand in die Augen treten«, erklärte sie in falschem Griechisch.
Ihre Angst, in diesem Zustand gesehen zu werden, war überflüssig, denn bei einem solchen Wetter verließ niemand freiwillig das Haus, die Kirche oder das Kloster. Selbst die vielen Obdachlosen der Stadt hatten wohl irgendwo Unterschlupf gefunden.
Zugleich bestand Sophia darauf, dass ihr Gepäck umgehend entladen und ihr auf dem Fuß folgen würde. Loukas unterdrückte eine bissige Bemerkung, denn man hätte die Fracht gefahrlos löschen können, wenn der Sturm nachgelassen hatte. Doch wusste er, dass jeder Einwand zwecklos war, und versprach deshalb, sich sofort darum zu kümmern. Angesichts seines Aufzugs erließ man dem Kapitän die Pflicht, seine Passagiere zum Palast zu begleiten.
Weder bedankte sich Sophia bei dem Mann, der sie von Italien sicher über das Meer nach Konstantinopel gebracht hatte, noch verabschiedete sie sich von ihm. Sie ignorierte ihn einfach, als trüge er die Schuld an dem Sturm und an ihrem Aussehen. Mit Worten und Gesten trieb sie den Ersten Minister an, sie endlich ins Trockene zu bringen.
In knapp zwei Wochen sollte die Hochzeit von Sophia von Montferrat und Johannes Palaiologos stattfinden. Mit ihren dreißig Jahren war die Braut nicht mehr ganz taufrisch. Außerdem war sie schon einmal verheiratet gewesen, wenngleich die Ehe angeblich nicht vollzogen worden war. In Anbetracht ihres Aussehens glaubte man das gern. Aber der Kaiser suchte im Westen Bundesgenossen, und da kam ihm die Tochter eines oberitalienischen Grafen, der mit dem halben französischen Hochadel verschwägert und überdies mit den Palaiologen verwandt war, gerade recht. Auch Johannes Palaiologos würde nicht zum ersten Mal die Ehe eingehen, nur hatte bei ihm nicht der Mensch, sondern der Tod, genauer die Schwarzen Pocken die Verbindung gelöst.
Raschen Schrittes wurde Sophia von Montferrat samt ihren Zofen zum nahen Palast in Blachernae geführt, in dem die kaiserliche Familie wohnte. Unter Lebensgefahr brachte die Mannschaft das Gepäck der Frauen an Land, wo es eilig herbeigerufene Diener in Empfang nahmen.
Die Nachricht von dem riskanten und letztlich geglückten Anlegemanöver der »Nike« verbreitete sich in Windeseile in der Stadt, allein schon durch die Seeleute, die in die Tavernen und Bordelle einfielen, um sich zu beweisen, dass sie noch lebten.
Nach einem Dreivierteljahr der Abwesenheit, das er zum großen Teil auf See, in Genua, Venedig und Montferrat zugebracht hatte, freute sich Loukas unbändig darauf, seine Eltern und seinen jüngeren Bruder Demetrios wiederzusehen. In einem Holzkasten, den man, wenn sich der Sturm gelegt hätte, löschen und zusammen mit seinem Gepäck auf einem Eselskarren in den Palast der Familie Notaras in der Nähe der Hagia Sophia kutschieren würde, befanden sich reichlich Geschenke: für seine Mutter Thekla Gläser aus Murano und Stoffe aus Florenz, für den Vater
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