BZRK Reloaded (German Edition)

der auf der Gegenseite am selben Problem arbeitete.
    Als Karl Burnofsky aufblickte, bemerkte und erkannte er ganz langsam niemand anderen als Sadie McLure.
    Plath ging in die Kabine, pinkelte, wusch sich die Hände in dem winzigen Waschbecken und zwängte sich wieder aus der Tür. Ein Fluggast, ein älterer Herr mit einer ausgemergelten Keith-Richards-Fresse, wartete ungeduldig darauf, dass die Kabine frei wurde. Er drängte sich an ihr vorbei, stieß sie beinahe zur Seite.
    Er streckte den Arm aus, an ihr vorbei, als wolle er unbedingt nach einem Papierhandtuch greifen, und dabei streifte seine Hand ihren Hals.
    Plath kehrte an ihren Platz zurück. Sie schob sich an Keats vorbei und versank in ihrem Sitz, starrte zum Fenster hinaus auf die hell funkelnden Lichter unten und auf die zurückweichende Tragfläche. Da draußen in der Nacht sah es kalt aus.
    Sie hatte ein Buch dabei, aber sie las nicht. Auch Keats hatte ein Buch mitgenommen, aber er starrte nur schlecht gelaunt in den Gang. Sie hüteten sich, über irgendetwas von Belang zu reden. Nijinsky hatte sie gewarnt.
    Keats zog eine persönliche Bilanz. Sein Bruder in der Irrenanstalt. Die Eltern gleichgültig, froh, dass er weg war, so fadenscheinig die Ausrede auch sein mochte. Verliebt in ein Mädchen, das zwei Milliarden Dollar hatte und ihm unverblümt gesagt hatte, dass sie seine Liebe nicht erwiderte. Und zwei Bioten. Einer in Plaths Kopf, wo er vor- und zurückstapfte und eine Titanwand baute. Der andere in seinem eigenen Auge, der einfach nur rumhockte und zusah, wie die Blutkörperchen zu seinen Füßen aufwallten.
    Tod oder Wahnsinn.
    Verstohlen blickte er zu Plath hinüber. Er wollte sie, aber mehr noch wollte er, dass sie ihn wollte. Er wollte, dass sie ihn brauchte.
    Und warum? Weil er so verlässlich war? Weil er sie wirklich retten konnte? Nein. Er war nicht töricht genug, das zu glauben. Sie hatte mehr zu bieten als er. Wahrscheinlich war sie auch schlauer. Auf jeden Fall war sie zu schön für Typen wie ihn.
    Und trotzdem …
    Trotzdem …

    Sieben Reihen weiter hinten lachte sich Burnofsky verstohlen ins Fäustchen. Was für ein Zufall! Und was für ein interessantes Problem. Sadie McLure, die Tochter seines alten Freundes und Erzfeinds, war zum Greifen nah. Im Grunde hatte er sie schon in der Tasche.
    Die Zwillinge würden Burnofsky alles verzeihen, wenn er ihnen das McLure-Mädel liefern würde, tot oder lebendig. Ja, der Plan hatte vorgesehen, Thrum zu benutzen, die wiederum McLure benutzen sollte, um an BZRK heranzukommen. Doch dieser Plan war entstanden, bevor Sadie McLure in Benjamins Gehirn eingedrungen war.
    Charles wäre verärgert, wenn Burnofsky plötzlich den Kurs wechselte, um Sadie zu verfolgen. Aber Benjamin? Oh, Benjamin würde nichts besser gefallen, als Sadie McLure in seiner Macht zu wissen.
    Die Frage war: Was war für Burnofsky am Besten?
    Offensichtlich wurde Sadie nach Washington geschickt, weil Lear wusste, dass seine dortige Zelle ausgelöscht worden war. Die New Yorker wurden herbeigerufen, um zu übernehmen. Ihre Mission war klar: die Präsidentin zurückzuholen.
    Burnofsky lächelte bei dem Gedanken, dass er mit dem geheimnisvollen Lear Schach spielte. Burnofsky versetzte einen Bauern, Lear bewegte einen Turm, Burnofsky zog mit dem Läufer. Und Burnofskys König war halb wahnsinnig.
    Nun, dachte er, die meisten Könige sind mindestens zur Hälfte verrückt.
    Nach der Landung würden sich Sadies und seine Wege trennen. Sie und der Junge bei ihr würden sich wahrscheinlich zurückziehen. Er konnte sie verlieren. Zwar besaß er beschränkte Mittel, um sich an die Nanobots zu hängen, aber sie waren unzuverlässig und ungenau.
    Ihr folgen? Ja, das wäre das Richtige. Versuchen, in ihrer Nähe zu bleiben. Er hatte ihr zwölf Nanobots auf den Hals gesetzt bei ihrer kurzen Begegnung vor der Toilette, aber es war ein plumper, langsamer Transfer. Er befand sich nicht an einer Twitcherkonsole, und Nanobots waren keine Bioten. Man konnte sie nicht einfach mit Gedankenkraft lenken. Er hatte etwas eingesetzt, das man »Paket« nannte. Ein Paket hatte ungefähr die Größe eines herkömmlichen Salzkorns. Zwölf eng zusammengeschnürte Nanobots, von einem Haftmittel bedeckt. Zwei solcher Pakete hatte er ständig bei sich. Das eine unter dem Nagel seines linken kleinen Fingers, das andere unter dem rechten. Eines dieser beiden Pakete hatte er im Vorbeigehen wie zufällig auf Plaths Nacken gesetzt.
    Wenn er sie jetzt aber verlor,