C14-Crash
Toleranz mag in Soziologie, Psychologie, Wirtschaft etc. üblich
sein, um gewisse Informationen aus dem vorliegenden Material extrahieren
zu können. Im letztlich jahrgenauen archäologisch-historischen Zusammen-
hang ist sie dagegen vom Ansatz her verfehlt, zumal für C14-Daten alle zu-
rückliegenden Fehlereinflüsse am Ende wieder korrigierbar sein sollen. Das
ist von grundlegender Bedeutung, denn nur wenn C14-Daten konsequent kor-
rigierbar sind, dann können sie auch sauber kalibriert werden. Ohne eine nach
Durchführung aller Korrekturen gegebene radiometrische Gleichzeitigkeit hi-
storisch gleichaltriger Proben ist jede relative Chronologie in Frage gestellt
und das Projekt »global gleiche Kalibrierung« – mit allen Folgen etwa für das
»wiggle-matching« etc. – undurchführbar geworden.
Das unmittelbare Fazit lautet also: Es bleiben trotz diffizilster Korrekturen
Abweichungen erheblichen Ausmaßes übrig. So können Proben aus gleichem
archäologischen Kontext nicht verglichen werden, wenn man mit dem Histo-
riker verlangt, daß hohe Sicherheit dafür bestehen möge, daß das Ergebnis
aus dem Vergleich der C14-Daten mit seinem Befund übereinstimmen soll.
Die Labors vergleichen diese aber trotzdem und haben am Ende eines Be-
triebsjahres tatsächlich nur eine hohe Sicherheit, auch die wenigen womög-
lich richtigen Ergebnisse dem Einsender nicht vorenthalten zu haben.
Eine der wenigen, die diesen für Historiker unakzeptablen Zusammenhang
jemals unmißverständlich angesprochen haben, sind A. Long und B. Rippe-
teau [1974, 210]. Deren Veröffentlichung von 1974 wurde zwar oftmals zitiert,
aber nie in ausreichender Sorgfalt zur Kenntnis genommen. Vom rein statisti-
schen Gesichtspunkt aus betrachtet ist ein unangemessen hoher Anteil der
3. Methodisches – C14 auf dem Prüfstand
121
veröffentlichten C14-Ergebnisse nicht-signifikant (ohne schon von der Kali-
3.6 Ein C14-Wis-
senschaftler könn-
brierung gesprochen zu haben, wo zusätzliche und noch ernstere Probleme
te die Empfehlung,
ein C14-Datum
auftreten).
auch bei erwiese-
ner statistischer
Unsicherheit zu
Signifikant im statistischen Sinne wäre nur das Nichtveröffentlichen der
verwenden, nur
rechtfertigen,
Ergebnisse. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit, ein tatsächlich sauberes En-
wenn die Zuverläs-
sigkeit der C14-
semble irrtümlich verworfen zu haben, ausgesprochen niedrig! Long und Rip-
Methode in der
Regel gegeben
peteau sagen nichts anderes, als daß im Sinne des sarkastischen Eingangszi-
wäre. Da die Zu-
verlässigkeit der
tats über die selektive Zurkenntnisnahme von C14-Daten durch die Historiker
C14-Methode sich
aber nur auf die
so gut wie alle C14-Daten allenfalls als Marginalien bzw. Fußnoten veröffent-
durchgehende sta-
tistische Signifi-
licht werden dürften.
kanz ihrer Daten
gründete, diese je-
Einer der markantesten Hinweise auf die immanente Widersprüchlichkeit
doch bekannter-
maßen (»one date
des C14-Datenkorpus besteht in der Unfähigkeit der C14-Gemeinde, eine ver-
is no date«) nicht
gegeben ist, befin-
bindliche und zugleich integrierende Form der Veröffentlichung ihrer Daten
det er sich in un-
abwendbarer Legi-
zu etablieren. Während sich in dieser Hinsicht das 1959 gegründete »relativ
timierungsnot. Se-
riöserweise bliebe
obskur gebliebene« Journal R
ihm nur die Emp-
ADIOCARBON trotz aller Bemühungen als eine
fehlung, auf die
Verwendung von
»Enttäuschung« herausgestellt hat [Kra 1988, 119 u. 121], ist es zugleich nicht ge-
C14-Daten zu ver-
zichten.
lungen, die auf der ganzen Welt produzierten C14-Daten in eine einheitliche
Datenbank einzuspeisen.
Kaum 10% dieser Daten wurden als Datenlisten einheitlich in RADIOCAR-
BON veröffentlicht. Der Rest sei von den seinerzeit weltweit existierenden 129
Laboratorien möglicherweise ausschließlich den Einsendern der Proben zur
Verfügung gestellt und von diesen in irgendeiner Form weiterverarbeitet wor-
den. Der Grund dafür sei auch in der fehlenden Bereitschaft zu suchen, Zeit
und Anstrengung in die Aufbereitung einer angemessenen Dokumentation zu
investieren [Beck 1987, 491]. So existiert ein Konvolut von mehreren hundert-
tausend C14-Daten, die im Rahmen eines gültigen Simultanitätsprinzip für ei-
ne weltumspannende Chronologie wenigstens des Postglazials ausreichen
müßten. Daß diese Chronologie aber nicht vorliegt, kann nur bedeuten, daß
allzuviele C14-Daten
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