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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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Wildfangroma nzen so weit entfernt wie die Nacht vom Tag, aber deshalb nicht weniger wirklich.
    Mit der Zeit würde sie diese Wirklichkeit einsehen und einen Platz für sie finden müssen, obwohl sie sämtliche Vernunft und sämtlicher Logik widersprach. Vorläufig würde sie sie nur in der Erinnerung behalten, mit dem Schnitt als Wächter, und die Freuden des vor ihr liegenden Abends genießen.
    2
    »Es ist ein Witz«, sagte Sheryl, als sie vor dem Hudson Bay Sunset standen. »Habe ich dir nicht gesagt, daß er den sonderbarsten Humor hat?«
    Das Restaurant, das er ihnen genannt hatte, war vor mehreren Wochen völlig niedergebrannt, wie man dem Zustand der Schlacke entnehmen konnte.
    »Bist du sicher, daß du die richtige Adresse hast?«
    fragte Lori. Sheryl lachte.
    »Ich sage dir, das ist einer seiner Witze«, sagte sie.
    »Dann haben wir jetzt gelacht«, sagte Lori. »Und wann bekommen wir etwas zu essen?«
    »Er beobachtet uns wahrscheinlich«, sagte Sheryl, deren Heiterkeit etwas gezwungen wirkte.
    Lori sah sich nach einer Spur des Voyeurs um. Zwar gab es auf den Straßen einer Stadt wie dieser normalerweise nichts zu fürchten, nicht einmal am Samstagabend, aber die Gegend war alles andere als vertrauenserweckend.
    Alle anderen Geschäfte in dem Viertel waren geschlossen
    – einige für immer –, die Gehwege waren in beide Rich-107

    tungen völlig verlassen. Keine Umgebung, wo sie verweilen wollte.
    »Ich sehe ihn nicht«, sagte sie.
    »Ich auch nicht.«
    »Was machen wir jetzt?« fragte Lori und bemühte sich nach besten Kräften, jede Spur Gereiztheit aus ihrer Stimme herauszuhalten. Wenn sich Curtis der Schöne so einen Spaß vorstellte, dann mußte man an Sheryls gutem Geschmack zweifeln; aber wer war sie schon, sich ein Urteil anzumaßen, hatte sie doch einen Psychopathen geliebt und verloren.
    »Er muß hier irgendwo sein«, sagte Sheryl hoffnungs-voll. »Curtis?« rief sie und stieß die versengte Tür auf.
    »Warum warten wir nicht hier draußen auf ihn, Sheryl?«
    »Er ist wahrscheinlich da drinnen.«
    »Das Haus könnte gefährlich sein.«
    Ihr Flehen blieb ungehört.
    »Sheryl.«
    »Ich kann dich hören. Alles klar.« Sie war bereits im Dunkel des Hauses verschwunden. Der Gestank von verbranntem Holz und Stoff stach Lori in die Nase.
    »Curtis?« hörte sie Sheryl rufen.
    Ein Auto mit schlecht eingestelltem Motor fuhr vorbei.
    Der Beifahrer, ein vorzeitig kahl gewordener junger Mann, lehnte sich zum Fenster heraus.
    »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein, danke«, rief Lori zurück; sie war nicht sicher, ob die Frage Kleinstadthöflichkeit oder Anmache war. Wahrscheinlich letzteres, entschied sie, während das Auto beschleunigte und weiterfuhr, die Leute waren überall gleich. Ihre Stimmung, die sich sprunghaft verbessert hatte, seit sie wieder in Sheryls Gesellschaft war, schlug rasch in Verdrossenheit um. Es gefiel ihr nicht, auf dieser 108

    einsamen Straße zu stehen, während der letzte Rest Tageslicht erlosch. Die Nacht, die immer ein Ort der Versprechen gewesen war, gehörte zu sehr der Brut, die sogar ihren Namen für sich selbst genommen hatte. Warum auch nicht? Letztendlich war jegliche Dunkelheit nur eine einzige Dunkelheit. In eben diesem Augenblick würden sie in Midian mit dem sicheren Wissen, daß ihnen das Licht der Sterne nichts anhaben konnte, die Türen der Mausoleen aufschieben. Sie erschauerte bei dem Gedanken.
    Sie hörte einen Automotor in einer Seitenstraße aufheu-len, dröhnen, dann das Quietschen von Bremsen. Kamen die guten Samariter noch einmal her, um sich umzusehen?
    »Sheryl?« rief sie. »Wo bist du?«
    Der Witz, wenn es ein Witz gewesen war, und nicht Sheryls Irrtum – hatte längst sein fragwürdiges bißchen Humor verloren. Sie wollte ins Auto einsteigen und fahren, zurück zum Hotel, wenn es sein mußte.
    »Sheryl? Bist du da?«
    Aus dem Gebäudeinneren drang Gelächter; Sheryls gurgelndes Gelächter. Lori argwöhnte eine Mitwisserschaft an diesem Fiasko und trat durch die Tür, um nach den Witzbolden zu suchen.
    Das Lachen ertönte erneut, dann verstummte es, als Sheryl sagte:
    »Curtis«, in einem Tonfall gespielter Indigniertheit, der zu weiterem albernem Gelächter verkam. Also war der große Liebhaber doch hier. Lori spielte mit dem Gedanken, wieder auf die Straße zu gehen, ins Auto einzusteigen, und sie ihren verdammten dummen Spielchen zu überlassen.
    Aber der Gedanke an einen Abend allein im Hotelzimmer, wo sie neuerlichem Partylärm lauschen mußte, trieb

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