Cademar-Günstling der Magie
Gedanken wanderten zu einem Wintertag zurück, den er als Kind erlebt hatte. »… dann sah ich einen Gesandten.«
Zahrus Augen verengten sich. »Er hat etwas Schreckliches getan, nicht wahr?«
»In Halburg herrschte gerade ein Schneesturm. Mein Vater und ich kämpften uns durch die Gassen, auf der Suche nach einer Herberge. Wir hörten Geschrei von einem Marktplatz und gingen dorthin. Ich sah einen Gesandten. Er stand breitbeinig da, der Wind schien ihm nichts auszumachen, ließ seine schwarze Robe mit der goldenen Stickerei tanzen. Vor ihm kniete ein Mann, der am ganzen Körper zitterte. Dann streckte der Gesandte die rechte Hand vor. Ich konnte seinen Manuskristall erkennen, und wie er die Augen schloss – und dann drehte sich der Wind. Der Sturm schien auf einmal von allen Seiten zu dem Gesandten zu wehen – als wäre er der Mittelpunkt des Sturms geworden. Die Schneeflocken wirbelten über ihm in die Höhe, und die Menschen auf dem Marktplatz mussten sich in den Boden stemmen, um nicht zu dem Gesandten gesaugt zu werden. Und dann schoss eine Flamme aus dem knienden Mann.«
Die Augen Zahrus waren unergründlich.
»Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann war der Mann verbrannt. Die Flamme war so hell, dass ich die Augen schließen musste. Und dann war es schon vorbei. Alle Winde erstarben. Die Schneeflocken waren im Himmel verschwunden. Die Luft stand still und hatte jeden Geruch verloren. Und vor dem Gesandten, dort, wo der Mann gekniet hatte, war nur Asche übrig, die mit dem Schmelzwasser davonrann.«
»Und hast du je erfahren, warum der Gesandte den Mann hingerichtet hat?«
Cademar schüttelte den Kopf.
»Der Mann hatte seinen Sohn – einen Günstling – vor den Gesandten verborgen.«
Cademar runzelte die Stirn. »Woher –« Und bevor er sie stellen musste, konnte Cademar seine Frage schon selbst beantworten: »Ihr wart der Gesandte.«
Cademar lag auf seinem Bett und starrte in die Luft. Wie betäubt hatte er den Weg aus der Kathedrale zurückgelegt, kaum ein Wort mit Malkom gewechselt, seit er wieder auf seinem Bett lag.
An jenem Wintertag hatte er keinen Blick ins Gesicht des Gesandten erhaschen können, der den Mann hingerichtet hatte, doch er zweifelte nicht an Zahrus Worten. Er fühlte, dass es stimmte.
»Cademar?« Flana war an sein Lager getreten. Es ging ihr inzwischen besser, nachdem Purko ihr die Medizin verabreicht und sie danach lange Zeit und tief geschlafen hatte. Ihr Husten war geheilt. In Flanas Augen stand noch Erschöpfung, die Wangen waren eingefallen und ihr blondes Haar strähnig.
Cademar setzte sich auf. »Ja?«
»Ich möchte mich bei dir bedanken.«
»Wofür?«
»Purko sagte, dass du mit ihm zu Zahru gegangen bist, um die Medizin zu holen.«
Cademar schaute hinüber zu Purko, der auf dem Bett lag und ihm den Rücken zugewendet hatte. »Hauptsache, es geht dir wieder besser.«
Flana nickte und schaute zu Boden.
»Und was denkst du über die Zuflucht?«, fragte Cademar.
»Sie ist anders als ich mir vorgestellt habe … aber ich kenne sie bislang kaum. Ich hatte schon Fieber, als ich hier ankam und habe fast die ganze Zeit auf meinem Lager verbracht.«
Die Tür ihres Raums wurde geöffnet, und alle Köpfe drehten sich dorthin. Zahru machte einen Schritt herein. »Cademar, komm mit mir. Und nimm deine Jacke mit«, sagte er und ging wieder hinaus.
Kurz zögerte Cademar, doch dann erhob er sich, nahm seine Jacke und trat eilig hinaus. Zahru hatte nicht auf ihn gewartet und war den düsteren Gang schon entlang geschritten, sodass Cademar sich beeilen musste, zu ihm aufzuschließen. Schweigend lief er eine Zeitlang in kurzem Abstand hinter ihm. Cademar bemerkte, dass Zahru eine Tasche über die Schulter trug, als dieser im Gehen über die Schulter blickte. »Du musst nicht wie mein Diener hinter mir laufen.«
Cademar machte zwei schnelle Schritte, bis er sich neben Zahru befand, doch er vermied es, den Magier anzusehen.
»Du hast Angst«, stellte dieser fest.
»Ich bin durcheinander«, gestand Cademar ein.
Zahru blieb stehen, Cademar ebenso.
»Ich bin heute hier, weil ich eingesehen habe, dass ich zu lange den Befehlen der Lichtfeste gefolgt bin. Was ich getan habe, kann ich nicht rückgängig machen, Cademar, ich kann nur um Vergebung bitten und meinen Teil beitragen, den Günstlingen in Asugol einen anderen Weg zu zeigen. Einen besseren Weg.«
»Und ich kann nicht über Euch richten«, sagte Cademar. »Es steht mir nicht zu.«
Zahru nickte nachdenklich. Dann
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