Cademar-Günstling der Magie
Gefühl. Er zuckte mit den Schultern.
»Die Antwort«, sagte Zahru, »ist Magie.«
Cademar rang nach Worten, doch es war Ilgar, der sich an ihn wandte: »Du glaubst, die Magier beherrschen die Magie, nicht wahr?«
Cademar nickte.
»So funktioniert es nicht. Magiebegabte sind eben nur das – Begabte, keine Beherrscher. Sie kontrollieren die Magie nicht, sie verstehen nur, sie nutzbar zu machen. Niemand beherrscht sie. Und niemand wird es je können. Sie holen die Günstlinge auf die Lichtfeste, damit diese nicht etwa die Magie auf ihre Weise erlernen – und gegen die Magier der Lichtfeste einsetzen könnten.«
Cademar nickte nachdenklich, auch wenn er nicht genau verstand, was Ilgar damit meinte. Er senkte den Kopf.
»He!« Ilgar beugte sich zu ihm herunter, und Cademar hob den Kopf. Auf seinem Gesicht erstrahlte zum ersten Mal Freundlichkeit. »Entschuldige, ich wollte dich nicht schulmeistern. Du solltest froh sein, dass du hier bist – hier in den Bergen, hier bei mir, bei den richtigen Leuten. Nehmt Platz. Glaub mir, Cademar – heute wird es dir gut gehen.«
Ilgar sollte Recht behalten. Er fuhr ein Festmahl auf, wie es Cademar seit seiner Flucht von zu Hause nicht mehr gegessen hatte. Das Brot war dunkel und schwer, die Wurst gut abgehangen, die Marmelade süß. Cademar trank Met dazu, der ihm bald zu Kopf stieg, doch der Schwindel schien seinen Hunger nur zu verstärken. Zahru neben ihm begnügte sich mit einigen Brocken gebratenen Fleisches und Wasser.
»Woher kennt Ihr ihn?« Cademar hob sein Kinn in Richtung des Wirtes und schob ein Stück Brotkruste in den Mund.
»Er war einer der Ersten dort oben – einer derjenigen, die mit Viller in die Berge gingen. Er war ein sehr begabter Famulus, doch er wollte nicht sein ganzes Leben in der Einöde der Zuflucht verbringen. Er ging zurück nach Asugol und dachte, seine Vergangenheit hinter sich lassen zu können. Doch dann fanden ihn die Magier … und bestraften ihn.«
»In seiner Hand war der …«
»Wird der Manuskristall abgeschlagen, ist man kein Magiebegabter mehr. Ilgar hat mir erzählt, dass er nach seiner Gefangenschaft einige Tage auf der Lichtfeste einsaß. Er wehrte sich, mit all seiner magischen Kraft, dann schlugen sie ihm die Hand ab und brachten ihn zurück ans Festland. Sie folterten ihn weiter, wollten von ihm wissen, wo die Zuflucht ist, doch sie konnten ihn nicht brechen. Und selbst wenn er es versucht hätte – er hätte ihnen den Weg nicht weisen können. Als sie ihn endlich in die Freiheit entließen, entschied er sich, uns von Ukka aus Hilfe zukommen zu lassen.
Nachdenklich kaute Cademar. »Wie viele Jahre ist es her, dass er mit Viller hierher kam?«
»Dreiunddreißig Jahre.«
Cademar vergaß das Schlucken. »So lange?«
»Es ist ein Wunder, dass die Zuflucht in all dieser Zeit unentdeckt geblieben ist. Anfangs haben die Magier keine Anstalten gemacht, sie überhaupt zu finden. Sie hielten Viller für einen wunderlichen Alten, und sie bekamen mehr Günstlinge als genug, die sie unterweisen konnten. Daher bemühten sie sich nicht, die Zuflucht ausfindig zu machen. Doch die Zeiten haben sich geändert …«
Sie aßen auf, und es fiel Cademar nicht leicht, sich vom Tisch zu erheben und von dem Festmahl zu entfernen. Er wusste nicht, wann er wieder so reichhaltig würde essen können. Sie hielten schon auf die Tür zu, als diese aufgestoßen wurde und ein Mann hereinstürzte. »Magier!«, rief er aus. »Sie sind gleich hier.«
Kaltes Entsetzen packte Cademar. »Sie haben uns gefunden …«, sagte er leise.
Ilgar legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nein. Komm mit mir.«
Der Wirt führte Cademar in den Keller. Dort musste sich der junge Mann bücken, um sich nicht den Kopf an den Balken zu stoßen. Ratten bewegten sich raschelnd in den Ecken, als er die Treppe herabkam. »Versteck dich«, sagte Ilgar. »Und wirke keinerlei Magie. Dir wird nichts geschehen.«
»Warum bleibt Zahru oben?«, fragte Cademar. »Sie werden ihn erkennen!«
»Glaub mir, er hat sich sehr verändert, seit er kein Gesandter der Magier mehr ist. Sie werden nicht wissen, wer er ist. Und sorge dich nicht wegen seines Manuskristalls – ich gebe ihm Handschuhe.« Mit diesen Worten ging Ilgar wieder nach oben und schloss die Tür hinter sich.
Durch die Ritzen im Fußboden fiel nur wenig Licht in den Keller, und Cademar tastete sich im Dunkeln voran. Zwischen zwei Fässern, aus denen der beißende Geruch von Rum drang, kauerte er nieder und wagte kaum zu
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