Cademar-Günstling der Magie
nur das ferne Rauschen des Bergflusses irgendwo in den Höhlen unter sich. Er irrte durch die Gänge, von denen einer wie der andere aussah, bis er endlich Geräusche vernahm, die er in der Zuflucht noch nie wahrgenommen hatte – Lachen. Cademar orientierte sich in diese Richtung, musste noch einige Male zurückgehen und andere Abzweigungen wählen, weil das Lachen wieder verschwunden war, doch schließlich sah er ein helles Licht weiter vorne im Tunnel. Und als er den Raum betrat, aus dem das Licht kam, stockte ihm der Atem.
Der Raum war kesselförmig, größer als jeder andere, den er bisher in der Zuflucht gesehen hatte – und die ganze Fläche unter ihm war ein Garten. Die Hänge im Halbrund waren mit Bäumen und Stauden bewachsen, die in voller Blüte standen, und unten, wo der Boden abflachte, waren Felder voller Weizen und Mais, gesäumt von Apfelbaum-Reihen und Beerensträuchern. Insgesamt waren es mehr Felder als Cademars Vater zu Hause in Klarbach bestellte.
Unter der Decke des hohen Raumes schwebte eine Sonne. Cademar kniff die Augen zusammen, um sie besser sehen zu können, was bei ihrem Strahlen kaum möglich war. Sie schien nur so groß wie eine Faust zu sein, aber leuchtete so hell wie die Sonne draußen am Firmament.
In der gleißenden Helligkeit herrschte Hochbetrieb. Es mussten alle Magiebegabten der Zuflucht sein – Cademar schätzte, dass es über einhundert Frauen und Männer jedes Alters waren. Und sie ernteten.
Langsam ging Cademar die Stufen aus getrocknetem Lehm hinab. Die kleine Sonne wärmte ihn, und er fühlte sich wie an einem Sommertag auf den heimischen Feldern. Jemand rief seinen Namen, und einen verwirrenden Augenblick glaubte er, seine Mutter habe ihn gerufen. Nein – es war Flana, die lachend in seine Richtung rannte und ihm auf halber Strecke etwas zuwarf, was er instinktiv fing.
Es war ein Apfel – glatt, warm und saftig. Eine Armlänge vor ihm blieb Flana stehen. »Probier ihn!«, forderte sie ihn auf und grinste, ihren Wangen glühten. Nie zuvor hatte Cademar sie so lebendig gesehen.
Er biss ein Stück Apfel ab und kaute. »Sehr süß«, sagte er. »Wir haben doch erst Frühling. Wie können die Äpfel hier schon reif sein?«
»Sie sagen, dass die magische Sonne sie besonders gut reifen lässt. Und hier im Sonnenraum gibt es keine Jahreszeiten – die Bäume tragen viel öfter Früchte.«
»Warum hat Zahru uns nicht früher hierher gebracht?«
Eine Stimme neben Cademar sagte: »Weil wir sehen wollten, wie ernst es euch ist.« Zahru war an ihn herangetreten. »Es sind schon viele Günstlinge hergekommen, die gedacht haben, die Zuflucht wäre ein gemachtes Bett, in das sie sich legen könnten.« Freundschaftlich legte er einen Arm um Cademar und führte ihn weg. Flana lächelte Cademar noch einmal an, dann lief sie zurück zu den erntenden Flüchtigen. »In der Vergangenheit kamen einige hierher, die sich weigerten, ihren Beitrag zu leisten, die Sicherheit der Zuflucht zu gewähren. Deshalb haben wir beschlossen, zunächst ihr wahres Denken auf die Probe zu stellen.«
»Eine Aufnahmeprüfung?«
»Etwas in der Art. Wie hättest du dich gefühlt, wenn ich dich nach deiner anstrengenden Flucht und aus der Kälte kommend direkten Weges hierher geführt hätte?« Er machte eine schweifende Handbewegung.
Cademar hob den Kopf, damit die kleine Sonne direkt in sein Gesicht strahlen konnte. »In Sicherheit. Gerettet.«
Zahru ließ Cademar abrupt los und stellte sich vor ihn. »Exakt.« Er schüttelte sachte den Kopf. »Aber das sind wir nicht. Niemals sind wir am Ziel, niemals sind wir sicher. Die Magier können die Zuflucht mit einem Handstreich einnehmen, wenn sie wissen, wo sie sich befindet. Genau das müssen wir verhindern, und dazu müssen wir alle Kräfte aufbieten. Die Zuflucht ist kein Freihafen, sie ist nicht selbstverständlich. Jeden Tag aufs neue müssen wir tun, was in unserer Macht steht, um sie geheim zu halten – und nicht untergehen zu lassen.« Zahrus Augen verengten sich. »Selbst dein Freund Purko hat es inzwischen verstanden.«
Cademar wollte einwenden, er sei nicht sein Freund, doch schwieg.
»Du hast es jedenfalls begriffen, Cademar. Und du wirst deinen Beitrag leisten.«
Der junge Mann nickte. »Das werde ich. Aber warum habt Ihr mich alleine in unserem Schlafraum zurückgelassen?«
Zahru lächelte. »Ich wollte dir den Schlaf gönnen. Und ich habe darauf vertraut, dass du hierher finden würdest. Aber nun widme dich den Feldern. Dein
Weitere Kostenlose Bücher