Cademar-Günstling der Magie
einen Felsen, drehte sich um die eigene Achse. Tief unter sich erhaschte er kurz einen Blick auf andere Flüchtige, die den Berghang hinunterrutschten, dann drehte er sich weiter, polterte einen Abhang hinunter. Was für einen Menschen normalerweise ein tödlicher Sturz wäre, fügte ihm keinerlei Verletzungen zu. Seine Hände waren immerzu im Rand seines Blickfeldes, und auf seiner Haut zeigte sich kein einziger blutiger Kratzer.
Unten wurde der Hang flacher, und dort endete sein Sturz. Cademar lag auf dem Rücken, starrte in den Himmel, lauschte, vernahm aber nur gelegentlich ein Scharren, das von fallenden Flüchtigen oder umherwandernden Magiern stammen konnte – er wusste es nicht.
Purko. Flana. Sie waren mit den Magiern im Bunde gewesen, all diese Zeit. Sie mussten es gewesen sein, die den Schutzschild sabotiert hatten. Cademar schwor sich, herauszufinden, wie es ihnen gelungen war. Er würde rächen, was an diesem Tag geschehen war – rächen, dass die Günstlinge des nächsten Jahres keine Zuflucht mehr hatten, sondern der Macht der Magier ausgeliefert waren. So wie er nun.
Es wurde dunkel. Außer Scharren und leisen Gesprächen der Magier irgendwo in der Nähe, war nichts mehr zu vernehmen. Diese Nacht floh Cademars Geist trotz geöffneter Augen in oberflächlichen Schlaf, aus dem er immer wieder auftauchte und über seine Lähmung erschrak.
Als der neue Tag anbrach, wurde Cademar wieder hochgehoben. Er sah zehn Pferdewagen in der Nähe, auf die die Flüchtigen aufgeladen wurden. Auf einem konnte er einen Blick auf Malkom erhaschen, aber von Zahru war nichts zu sehen. Auch Cademar wurde auf einen Wagen gelegt – und zwar als einer der Ersten inmitten eines Haufens steifer Flüchtiger. Nur wenig Sonnenlicht drang zu ihm herunter, und als der Wagen sich in Bewegung setzte, fühlte er das Schaukeln nicht, sondern bemerkte nur das rhythmische Wackeln seines Gesichtsfeldes.
Tag für Tag zogen die Wagen durch das Land. Cademar war mit seinen Gedanken allein. Er konnte sehen … hören … und riechen. Aber mehr nicht. Und nichts veränderte sich. Er spürte keine Wärme, keine Kälte, und als eines Nachts ein Unwetter niederging und ihn durchnässte, fühlte er nichts davon.
Sein Kopf war ein Kerker, an dessen Gittern sein Geist rüttelte. Aber es gab kein Entkommen. Wohin diese Reise ging – darüber gab es keine Zweifel. Sie brachten ihn und die anderen Flüchtigen zur Lichtfeste. Dort würde ihn nur eines erwarten.
Strafe.
Cademar machte sich nichts vor. Der Bewahrer war in Asugol nicht für seine Gnade bekannt. Kein Günstling würde es mehr wagen, sich dem Ruf der Magier zu entziehen, wenn sich in Asugol herumsprach – und dafür würden die Magier schon sorgen –, dass die Zuflucht der Vergangenheit angehörte. Die Rachegedanken gegenüber Purko und Flana ebbten ab, je länger die Reise dauerte, und eine Schicksalsergebenheit ergriff Cademar, in der er sich nur um die anderen sorgte, die mit ihm auf dieser Reise waren – auf der Reise zu der Lichtfeste, vor der alle vergebens geflohen waren.
Am Tag nach dem Unwetter wurden die anderen Flüchtigen über Cademar weggetragen, und Sonne stach in seine Augen. Er fürchtete, zu erblinden, da wurde auch er endlich hochgehoben. Die tanzenden Lichtflecken vor seinen Augen ließen nach, und Cademar sah, wo er sich befand.
Junkerstatt.
Die Wagen standen am Ufer der Karra, und die erstarrten Flüchtigen wurden am Pier hingelegt. Ein Zweimaster war in der Nähe vertäut, und Cademar sah, dass schon die ersten Flüchtigen auf das Schiff getragen wurden. Die Menschen starrten tuschelnd aus den Gassen und von den Dächern herüber, aber keiner wagte sich in die Nähe der Magier.
Nun würden alle Flüchtigen wie Vieh verladen und zur Lichtfeste verschifft werden. Vielleicht lag es am Licht der Sonne über Cademar, das ihn nach Tagen unter den Körpern der anderen Flüchtigen wieder traf – in seinem Inneren regte sich Widerstand gegen sein Schicksal. Aufbegehren. Wut.
War er wirklich so machtlos, so hilflos in dieser Situation? Seine magischen Kräfte hatten ihn schon einige Male überrascht, und nicht nur ihn, sondern auch andere. Die magische Starre, die von ihm Besitz ergriffen hatte – vielleicht war er stärker als sie. Er hatte es noch nicht versucht, sie zu durchbrechen, weil er nicht geglaubt hatte, dass es möglich war.
Cademar horchte in sein Innerstes. Was hielt seinen Körper gefangen? War es eine Magie, die seinen Körper umhüllte wie
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