Cademar-Günstling der Magie
der sich für ihn nicht weiter zu interessieren schien, sondern um den Pfahl herumging, die Fesseln löste und wieder hinaustrat.
Cademar war allein und unbewacht. Was bedeutete das? Langsam schritt er durch die Tür.
Im großen Lagerraum waren die Flüchtigen. Wie auf den Wagen lagen sie durcheinander. Cademar fühlte ihre Blicke auf sich und konnte diese nur hilflos und wütend erwidern. Magier waren schon dabei, die Flüchtigen hinauszutragen. Durch die Luke ging Cademar nach oben.
Das Schiff hatte an der Lichtfeste angelegt, und die Magier trugen die Flüchtigen, die immer noch in ihrer Starre gefangen waren, den Anleger entlang zur Burg. Einer der Magier schaute zu Cademar. »Komm«, sagte er mürrisch und ging die Rampe zum Anleger hinab. Zögerlich setzte sich Cademar in Bewegung.
Der Anleger ragte weit ins Meer hinaus. Sein unterer Teil bestand noch aus dem gelben Sandstein der kleinen Insel, die als Fundament für die Lichtfeste gedient hatte, darauf war das graue Gestein vom Festland gearbeitet worden. Das Meer musste direkt am Anleger weit in die Tiefe reichen, denn selbst ein Zweimaster wie dieses Schiff konnte bis auf wenige Meter an den Anleger heran, ohne auf Grund zu laufen.
Cademars Blick fuhr die Lichtfeste hinauf, die er bislang nur aus weiter Entfernung gesehen hatte. Zuerst fiel ihm die abgerissene Brücke auf, die in die Luft ragte. Es mochte zehn Meter über ihm sein, wo ein halbrunder Steinbogen den Brückenrumpf stützte. Dort, wo der Bogen als Pfeiler im Meer gestanden hatte, ragte nur noch eine abgebrochene Spitze aus dem Wasser, die mit Algen bedeckt war. Am anderen Ende der zerstörten Brücke, in Halburg, standen ebenso die Überreste eines Pfeilers. Dorthin wendete Cademar nun den Kopf. Bei jedem seiner Besuche in Halburg hatte er sich auf dieses Brückenende gestellt, zur Lichtfeste geblickt und sich vorgestellt, wie es gewesen sein musste, als sich diese Brücke noch über das Meer gespannt hatte. Es hieß, man hätte über eine Stunde reiten müssen, um bei der Lichtfeste anzukommen, und die Brücke sei so stabil gewesen, dass Wind und Wellen sie nicht einmal erzittern ließen. Wie die Pfeiler bis tief ins Meer gebaut worden waren und auf welche Weise die Brücke zerstört worden war – all dies lag im Dunkel der Geschichte, wie alles, was die Lichtfeste anging. Die Magier hüteten sorgsam ihr Wissen vor den Uneingeweihten.
Wenn sich die Brückenreste zehn Meter über ihm befanden, dann musste die Spitze der Burg … Cademar war über die Planke weitergelaufen und unten am Anleger angekommen, dann blickte er wieder nach oben. Er konnte nicht schätzen, wie hoch die Lichtfeste war. Ihm wurde beim Hinaufsehen schon fast schwindelig – allein die Vorstellung, dort oben zu stehen, ließ ein flaues Gefühl in seinem Magen entstehen.
Die Lichtfeste war an der anderen Seite, zum Meer hin, eine einzige Wand. Sie ragte aus dem Meer hinauf, wurde nach oben hin immer schmaler und formte so ein Dreieck. Diese Spitze bildete die Rückseite des höchsten Raumes der Burg. Es hieß, dort habe der Bewahrer sein Gemach. Cademar hatte noch nie die zum offenen Meer gerichtete Seite mit eigenen Augen gesehen – ihm wurde bewusst, dass er gerade zum ersten Mal überhaupt aufs Meer hinaus gesegelt war. Von der anderen Sicht auf die Lichtfeste hatte er nur gehört, und es hieß, dass die Wand, obwohl sie den Unbillen der Witterung ausgesetzt war, noch immer völlig makellos war.
Die Vorderseite der Burg, die dem Festland zugewandt war und die Cademar nun aus nächster Nähe sah, bestand aus einem Gewirr aus Etagen, Erkern, Fenstern, Balkonen, Überhängen und Balustraden. Es war überhaupt nicht ersichtlich, wie die Flure hinter den Mauern verliefen oder wie viele Räume sich darin befanden. Wandelgänge wurden zu kerkerähnlichen Verschlägen, gingen über in Treppen, die sich an der Außenwand in schwindelnde Höhen emporschwangen.
Cademar lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Prozession der Magier, die die starren Flüchtigen durchs Haupttor in die Lichtfeste trugen. Dieses Tor bestand aus einer steinernen Schwingtür, die mit überbordenden Mustern verziert war und dessen Material zu einem matten Grün geworden war, das im Sonnenlicht zu glühen schien. Das Tor war in eine Wand eingelassen, die hoch hinaufragte und in einen Teil der Außenfassade überzugehen schien. Doch als Cademar hindurch trat, bemerkte er, dass das Tor nur Teil eines Schutzwalls war, auf dem die abgerissene Brücke
Weitere Kostenlose Bücher