Cademar-Günstling der Magie
vernichtet hat.« Sein Blick glitt prüfend über Cademar, und der musste an sich halten, nicht die Augen niederzuschlagen. Er konzentrierte sich auf die unversehrte Pupille des Bewahrers, aber kam nicht umhin zu bemerken, dass sich der Mundwinkel in der verletzten Gesichtshälfte kaum mitbewegte, als seien die Muskeln unter der schwarzen Haut erstarrt. Kolom versuchte, besonders akzentuiert zu reden, was seine Sprechweise gekünstelt wirken ließ.
Cademar wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er versuchte, seine Angst im Zaum zu halten und mit fester Stimme »Ja« zu sagen, doch es war nur ein Krächzen, das aus seiner Kehle kam.
Jetzt trat Kolom direkt an Cademar heran, und dieser sah die entstellten Gesichtszüge aus nächster Nähe, fühlte den warmen Atem des Bewahrers über sein Gesicht streichen. »Wir werden ein interessantes Gespräch haben«, flüsterte er, und bevor Cademar etwas darauf erwidern konnte, wendete er sich ab und schritt an den liegenden Flüchtigen entlang.
»Magier der Lichtfeste!«, rief er aus und schreckte mit der Kraft seiner Stimme sogar die Möwen auf, die auf dem Wall saßen. »Heute ist der Tag größten Triumphes. Heute haben wir die letzten Abtrünnigen ihrem Schicksal zugeführt. Seit langer Zeit ist dies der erste Tag, an dem alle Magiebegabten auf der Lichtfeste versammelt sind. Es gibt keine verirrte Seele mehr in Asugol, die glaubt, sie könne sich der Magie entziehen. Die Zuflucht existiert nicht mehr. Und sie wird sich nie wieder erheben.«
Cademar schaute sich um und erwartete, dass sich jubelnde Rufe erhoben, doch die Magier lauschten nur aufmerksam dem Bewahrer. Der hob nun beide Arme zum Himmel und drehte sich zu der Reihe der starren Flüchtigen. Rascheln von Gewändern war zu hören, als die umstehenden Magier alle den Kopf senkten. Cademar fühlte das gleiche Kribbeln wie in dem Augenblick, bevor der Schild der Zuflucht gefallen war – nun wusste er, dass sich eine starke Magie auf diese Weise ankündigte, und er konzentrierte sich, damit die Magie ihm nichts anhaben konnte. Denn welcher Art die Magie war – darüber verriet ihm das Kribbeln nichts. Doch er fühlte, dass alle Magie an einem bestimmten Ort zusammenfloss. So war es auch in der Zuflucht gewesen – dort hatte der Kristall die Magie gesammelt. Hier floss die Magie … nach unten. Cademar glaubte erst, sich zu täuschen, doch je länger es dauerte, desto sicherer wurde er sich. Die Magie sammelte sich irgendwo unter seinen Füßen.
Und mit einem Mal entlud sie sich.
Cademar hatte das Gefühl, ein Stück in die Luft gehoben zu werden und wieder hinabzusinken, doch seine Füße hatten den Boden nicht verlassen. Kurz fühlte er sich desorientiert, doch ein Stöhnen und Wimmern um ihn herum brachte ihn wieder zu sich.
Die magische Wachstarre war aufgehoben.
Alle Flüchtigen, die auf dem Boden vor ihm lagen, rührten sich wieder. Gliedmaßen, die gerade noch in die Luft geragt hatten, fielen kraftlos zu Boden. Die Flüchtigen wälzten sich, zitterten und stöhnten. Es schmerzte Cademar, sie so zu sehen, denn er erinnerte sich, wie es ihm ergangen war, als er die Wachstarre abgestreift hatte.
Kolom genoss die Qualen der Flüchtigen. Er schritt langsam ihre Reihe ab und blieb vor einem von ihnen stehen. »Viller!«, rief er so laut aus, dass es alle im Hof der Lichtfeste vernehmen konnten. Dann streckte er seinen rechten Arm aus, als wollte er dem alten Mann vor sich aufhelfen, doch dann hob er langsam den Arm in die Höhe, und mit dieser Bewegung stieg auch der alte Mann in die Luft.
Viller war reglos. Zuerst glaubte Cademar, der Anführer der Zuflucht wäre bewusstlos oder sogar tot, aber Kolom drehte sein Handgelenk, und als wäre Viller seine Puppe bewegte er sich entsprechend, sodass er sich aufrichtete und er ihm ins Gesicht blicken konnte. Koloms magischer Griff hielt die Kleider des alten Magiers, der schlaff darin hing. Einige Meter über dem Boden verharrte er in der Luft. Viller hatte die Augen geöffnet und einen ausdruckslosen Blick auf Kolom geheftet. Langsam drehte er den Kopf und schaute hinüber zu Cademar – und lächelte.
Das entging Kolom nicht. Er warf Cademar einen Seitenblick zu. »Was soll mit ihm geschehen?«, fragte der Bewahrer beiläufig.
Cademar konnte den Blick nicht von Viller abwenden. Der alte Mann blinzelte und kam zu sich. Er schien keine Schmerzen zu haben. Vielleicht war sein Körper noch von den Folgen der Starre betäubt.
Kolom schaute seinen ausgestreckten
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