Cademar-Günstling der Magie
an. »Kommt«, wiederholte er und hielt dem Mann die Hand hin. Schließlich ließ er sich aufhelfen, und Malkom führte ihn in seine Kammer.
Holbrach war nicht in seinem Studierzimmer, sondern wahrscheinlich in seinem Arbeitsraum im Keller. Der Tee, den er morgens aufgegossen hatte, war in seiner Kanne erkaltet, und Malkom gab ihn Zahru, der ihn gierig trank. Er ließ dem Mann Zeit, seine Gedanken zu ordnen.
»Danke«, murmelte Zahru, als er den Tee geleert hatte. Er wich Malkoms Blick aus.
»Was ist geschehen?«, fragte der junge Mann schließlich.
»Ich bin ein Geächteter«, sagte Zahru, »ich war es schon, als ich hier eingetroffen bin.«
»Wart Ihr …«
»Im Keller. Ja. Die ganze Zeit. Ich arbeitete immerzu, schlief auf dem Steinboden, bekam wenig Essen. Aber sie ließen mich keine Arbeiten verrichten, bei denen ich mit Werkzeugen zu tun hatte, mit denen ich mich umbringen konnte. Ich flehte sie an, sie mögen mich einfach töten, aber sie taten es nicht. Ein Geächteter kann keine Magie wirken – sie lassen ihn nicht ans Sonnenlicht, und wenn ein Magier einen Schimmer im Manuskristall entdeckt, weil er von einem Sonnenstrahl gestreift wurde, zwingt er ihn dazu, diese Magie zu verbrauchen, auf der Stelle.«
Malkom füllte den Holzbecher, aus dem Zahru Tee getrunken hatte, mit frischem Wasser aus einem kleinen Fass, das in der Ecke von Holbrachs Studierzimmer stand, dann sprach der Mann weiter.
»Heute haben sie mich freigelassen. Ich war ohnmächtig vor Schwäche. Sie brachten mich in die runde Halle und warfen mich auf den Boden. Warum – das weiß ich nicht. Niemand sagte etwas zu mir, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.«
Malkom schaute zu Zahrus Händen. Der bemerkte den Blick und hob die rechte Hand, zeigte damit seinen Manuskristall. Er war schwarz, nicht der kleinste Schimmer war darin zu sehen. »Ich weiß nicht, was mit dem Manuskristall geschehen ist. Sie haben sich die Mühe gespart, ihre Axt zu verwenden.«
»Was habt Ihr auf der Treppe gemacht?«
»Ich wollte nach oben. Um mich in die Tiefe zu stürzen.«
Malkom nickte. Das hatte er vermutet. »Werdet Ihr es jetzt tun?«
Zahru schaute ihn an, und zum ersten Mal blitzten die Kraft und die Entschlossenheit auf, die Malkom in der Zuflucht bei diesem Mann gesehen hatte. »Wirst du mich davon abhalten?«
Malkom wollte schon verneinen. Doch beim Gedanken, dass dieser Mann, der so viele Jahre den Günstlingen geholfen hatte, sich dem Zugriff der Magier zu entziehen, auf diese Weise seinem Leben ein Ende setzen wollte, wurde er wütend. »Ja«, sagte er, »das werde ich.«
Zahru schaute ihn abwartend an.
»Ich werde Euch in der Luft fangen und wieder auf sicherem Boden abstellen. Meine Materialmagie ist inzwischen stark genug. Und bedenkt …« Malkom beugte sich vor. »Das ist es, was die Magier wollen. Sie gehen davon aus, dass Ihr Euch tötet. Letztlich tut Ihr ihnen damit nur einen Gefallen.«
Zahru zupfte am Ärmel der Robe, die Malkom trug. »So wie du?«
Auf einmal überkam Malkom eine fürchterliche Angst. Vielleicht hatten sie Zahru genauso gebrochen, wie es offensichtlich bei Cademar der Fall war. All dies konnte eine Täuschung sein. Die Magier wussten, dass die Flüchtigen Zahru vertraut hatten – und wahrscheinlich immer noch vertrauten. Hatten sie ihn deswegen freigelassen? Damit er mit den Flüchtigen redete und ihnen ihre wahren Gefühle entlockte?
Malkom wusste nicht, ob er sich Zahru öffnen konnte. Er bemühte sich, wie ein Magier zu denken und zu handeln, doch sein einziges Ziel war, von der Lichtfeste geschickt zu werden. War er erst einmal am Festland, konnte er eine Chance zur Flucht nutzen.
»Geht«, sagte Malkom und wies zur Tür.
Nun zeichnete sich Erstaunen in Zahrus Blick ab. Er erhob sich. Es schien viel zu geben, was er noch sagen wollte, doch dann schritt er einfach hinaus.
Malkom schloss die Augen und lauschte, ob Rufe zu hören waren, weil sich jemand in den Tod gestürzt hatte, doch nur das Rauschen des Meeres erklang.
Zahru lebte weiter.
Er war ein Geächteter, mit dem sich eigentlich niemand abzugeben hatte. Niemand durfte ihm Essen oder Obdach geben – aber jeder durfte ihn nach Belieben behandeln oder sogar töten. Holbrach erzählte Malkom, dass schon lange nicht mehr diese Strafe angewendet worden war. Es war ein Todesurteil, das der Betroffene selbst umzusetzen hatte.
Doch Zahru tat den Magiern diesen Gefallen nicht.
Malkom hatte keinerlei Verbündete, mit denen er etwas für
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