Cademar-Günstling der Magie
Aber das konnte auch nur sein Wunschdenken sein.
»Heißt du wirklich Flana? Oder war das ein Teil deiner Lügengeschichte?«
Sie nickte. »Es war keine Lügengeschichte. Ich war wirklich ein Günstling.«
»Aber du bist nicht freien Willens zur Zuflucht gegangen.«
»Die Gesandten der Magier haben mich gefunden, direkt als die Magie ausbrach. Sie haben mich sofort mitgenommen und untersuchten mich und sagten, ich sei eine Mentalmagierin und ich müsste tun, was sie sagen, sonst würde ich meine Eltern nie wiedersehen …« Tränen stiegen in ihre Augen. »Der alte Magier, Ägom, zwang mich, in kurzer Zeit meine gerade erst entdeckte Magie einzig so einzusetzen, Purkos Kräfte zu verbergen. Er war schon ein fertig ausgebildeter Magier, doch ich hüllte einen magischen Kokon um ihn, der seine wahren Fähigkeiten verschleierte, selbst vor Senro.«
Malkom lauschte gebannt ihrer Schilderung. Als sich Schritte näherten fuhr er herum und befürchtete, dass ein Magier ihnen befahl weiterzugehen, denn es war auch in den Gängen der Lichtfeste nicht gern gesehen, wenn Famuli sich unterhielten, doch es war nur ein anderer Famulus, der im Flur an ihnen entlangeilte.
»Ich wollte alles verraten, doch Purko kontrollierte mich. Er wich kaum von meiner Seite und drohte, mich zu töten, sobald ich seine Scharade nicht mehr deckte. Ich wurde krank. Es musste an dem Trunk gelegen haben, den Ägom mir verabreicht hatte, er bekam mir nicht. Purko wurde wütend, weil er in dem Tunnel arbeiten musste. Sein Auftrag war, mit seiner starken Materialmagie die Zuflucht zu enthüllen, wie auch immer er es tat.«
Malkom nickte. Flana sprach immer schneller, als hätte sie ewig gewartet, sich all dies von der Seele zu reden.
»Wenn Cademar mich nicht gerettet hätte … ich weiß nicht, was geschehen wäre. Vielleicht wäre ich gestorben, Purkos Pläne wären enthüllt worden, und die Zuflucht wäre nie gefunden worden.«
»Es ist alles so gekommen, Flana. Ich weiß nicht, wie Cademar darüber denkt, aber ich kann dir keine Vorwürfe machen. Wenn die Magier mich gefunden hätten, hätte ich wahrscheinlich genauso gehandelt.«
Flana hörte die Worte, doch sie schienen sie nicht zu erreichen. »Ich bin schuld. An allem. Wäre ich gestorben –«
»Du lebst!«, fuhr Malkom dazwischen. »Du lebst, und wage es nicht, das zu ändern.«
Eine einzelne Träne floss ihre linke Wange hinab. Sie schaute Malkom in die Augen. Schließlich nickte sie und ging lautlos davon.
So zog der Herbst ins Land. Die Tage wurden kürzer, die See rauer, der Wind kälter. Holbrach war bald nicht nur der Meister von Malkom, sondern wurde ein väterlicher Freund. Sprach Holbrach dem Wein leichtfertig zu, ließ er sich zu Flüchen über seine Kollegen und sogar über den Bewahrer hinreißen, und Malkom war glücklich und lachte, denn es brachte eine Leichtigkeit in den starren Alltag auf der Lichtfeste, die Malkom schon lange nicht mehr erlebt hatte. So bemühte er sich, dass Holbrach mit ihm zufrieden war, und bald konnte er ihm schon bei seinen anatomischen Studien beistehen.
Tag für Tag wurde Malkom mehr zu einem echten Magier der Lichtfeste, und wenn er von weitem einmal Cademar an der Seite des Bewahrers sah, spielte die Erinnerung an die Zuflucht immer weniger eine Rolle in seinen Gedanken.
Und als Malkom schon lange nicht mehr im Vorübergehen jede Frau und jeden Mann anstarrte, ob es ein Flüchtiger von der Zuflucht war, traf er auf einen Mann in dreckiger, eingerissener Kleidung, der auf der Haupttreppe schlief.
Es war Zahru.
Winter
Sein Schlaf war unruhig. Zahru zuckte immer wieder und stöhnte.
Zuerst war sich Malkom nicht sicher, ob er wirklich den Magier aus der Zuflucht vor sich hatte, denn ein grauer Bart bedeckte sein Gesicht, und lange Haare umflossen seinen Kopf. Aber die Gesichtszüge waren unverkennbar. Malkom beugte sich vor und griff nach der Schulter des Mannes.
Zahru riss die Augen auf und schrie, als habe ihn ein glühendes Eisen berührt.
»Ich bin es – Malkom.«
Doch die Worte drangen nicht zu dem Mann durch. Mit abgehackten Bewegungen schob er sich rückwärts die Treppe hoch, und erst nach einigen Augenblicken klarte sein Blick auf und er erkannte, wer ihn geweckt hatte. Und er sah auch die schwarze, mit Gold bestickte Robe, die Malkom trug.
»Du bist einer von ihnen geworden?«, fragte Zahru mit belegter Stimme, dann hustete er.
Besorgt sah sich Malkom um. »Kommt mit«, sagte er, doch Zahru schaute ihn nur abschätzig
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