Cadence Jones ermittelt - Davidson, M: Cadence Jones ermittelt
einer FBI-Abteilung erzählt, die meine besonderen Fähigkeiten gut gebrauchen konnte.
Und es war nicht einmal eine neue Abteilung. Das FBI wurde im Jahre 1908 unter Präsident Teddy Roosevelt gegründet, und zwar von Anfang an mit stolzen vierunddreißig Agenten.
BOFFO gab es seit 1910, mit vier Agenten.
Wir sind also immer schon dabei gewesen. Um zu schützen und zu dienen und verrückt zu werden: Dies war unsere Mission, unser Vergnügen und gelegentlich auch unsere Last. Die Regierung braucht immer Leute, die die Welt nicht wie die sogenannten Normalos sehen. Die Regierung braucht immer Menschen, die sie gut gebrauchen kann. Und verbrauchen.
Damals hatte ich angenommen, dass Michaela verrückter sei als ich. (Was auch gut stimmen kann, falls Shiro mir irgendwann einmal verrät, warum die Chefin so besessen von Schneidwerkzeugen ist.) Aber Michaela hatte mich – uns alle drei – zu Gläubigen umerzogen. Und so diente ich von Regierungs Gnaden der Öffentlichkeit und ging so oft zur kostenlosen Therapie, wie es mir überhaupt möglich war. Es war ganz so, als hätte ich in einem Gewinnspiel gewonnen, in dem eine psychische Störung mit einem anspruchsvollen und gefährlichen Beruf und kostenlosem Schusswaffentraining belohnt wurde.
»Mir ist immer noch nicht klar, wie Michaela uns eigentlich gefunden hat«, sinnierte George. »Ich hab mir fast in die Hosen gemacht, als sie mich auf Kaution aus dem Knast in St. Paul rausholte. Und neun Monate später trage ich Anzüge, lehne unwillkommene Wichtelgeschenke ab, meine Partnerin ist eine multiple Persönlichkeit, meine Chefin ist besessen davon, Gemüse zu zerhacken, und mein Shrink bringt mich alle neun Monate dazu, einen MMPI ******* auszufüllen.«
»Oh, kotz.« Der MMPI war ein in Minnesota entwickelter Persönlichkeitstest mit Hunderten von Trifft-zu/Trifft-nicht-zu -Fragen. Jedes Mal, wenn ich das verfluchte Ding ausfüllen musste, konnte ich förmlich spüren, wie der Lebensmut aus mir herausrann.
»Warum stellst du mir überhaupt diese dämlichen Fragen? Denkst du etwa daran aufzuhören? Damit du wieder eine verrückte Bürgerin sein kannst – und nicht eine verrückte Regierungsangestellte?«
»Neeeiiin. Ich frag mich nur … manchmal … wofür das alles gut sein soll. Und warum wir immer noch dabei sind.«
»Ja, das passt zu dir.« George zuckte die Achseln. »Du denkst einfach zu viel nach.«
Und du zu wenig, mein soziopathischer Freund .
»Gehen wir zum Lunch? Wir gehen. Wollen wir Mittag essen? Gehen wir Mittag essen.«
»Also, nein.«
»Was zum Teufel tu ich dann hier?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
George kaute einige Sekunden wie ein wütendes Pferd auf seiner Lippe herum, dann blickte er in die Richtung, in der Frick und Frack verschwunden waren. »Also, was wollten die beiden?«
»Ich weiß es nicht, aber es war schon ein bisschen seltsam.«
Er schnaubte verächtlich.
»Selbst für ihre Begriffe«, stellte ich klar, »oder für unsere. Sie waren furchtbar interessiert an meinen Fällen.«
»An deinen oder an unseren?«
»Am Dreierpack-Mörder.«
George kniff die Augen so stark zusammen, dass er blinzeln musste. Wieder einmal fiel mir auf, dass er und Michaela die grünsten Augen hatten, die ich je gesehen hatte. Nicht haselnussbraun oder braun-golden. Sondern grün. Grünstes Grün. So etwas war wirklich selten – und in tausend Jahren nicht mehr existent: Bis dahin hatten wir bestimmt alle die gleiche Haut- und Augenfarbe. Ich überlegte, ob ich George erzählen sollte, was seine Nachkommen verpassen würden … und dann ging mir auf, dass er vermutlich niemals Nachkommen haben würde. Soziopathen sind katastrophale Ehepartner und noch schlechtere Eltern. Die Welt – die ganze Galaxis – wäre ein Ort größerer Sicherheit, wenn sich Leute wie George niemals fortpflanzten.
Ich schüttelte mich innerlich wie ein Welpe, der einer Pfütze entsteigt. »Ich hab noch Papiere zu bearbeiten.«
»Ist mir scheißegal!«, fauchte mein liebenswürdiger Partner.
Ich blinzelte verwirrt. Selbst für einen Soziopathen wie George war das ein wenig … oh. Oh! Wie dumm von mir. Wie hatte ich das nur vergessen können?
Na ja. Es war eben ein harter Tag gewesen.
»Du siehst sehr gut aus«, sagte ich so freundlich wie möglich.
Da wurde sein Blick noch finsterer. Seine Stirn war mit Zornesfalten geradezu durchfurcht. Seine Augen blitzten wie die eines zornigen Wolfs.
»Und das ist eine – eine – eine hübsche Krawatte«,
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