Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
und stapelte die Ausdrucke säuberlich auf der Arbeitsplatte.
Behutsam nahm ich Paul die Brille ab, hauchte darauf und polierte sie kräftig mit einem Kleenex. Aha! Schon viel besser. Jetzt waren die Gläser wieder rein. Sauber und rein.
»Aus dem, was Paul mir erzählt hat, bevor du gekommen bist, Cadence, lässt sich schließen, dass diese Mordserie schon viel länger als sieben Jahre andauert.«
Ich seufzte. »Das hatte ich befürchtet. Also – wie lange? Zehn Jahre? Zwölf?«
»Versuch es mal mit sechsundfünfzig.«
Betroffenes Schweigen, nur unterbrochen von hack! Hack! Mir war selbst nach ein bisschen Hacken zumute.
»Das ist doch unmöglich«, wandte Emma Jan ein, riesige Augen im dunklen Gesicht. Sie sah gleichzeitig verängstigt und erfreut aus, ein Blick – und ein Gefühl: beides kannte ich nur zu gut. Die Opfer taten ihr leid. Aber sie wollte den Täter unbedingt fassen, unbedingt. Manchmal hasste ich meine Arbeit. Hasste es, dass die Freude und Zufriedenheit an ihr eine gewisse Menge an Toten voraussetzte.
» JB ist schon seit über fünfzig Jahren aktiv?« Emma Jan schüttelte den Kopf. »Aber das ist doch falsch. Wie kann das sein?«
Ich rieb mir die Augen. »Ich sag dir, wie. Aber zuerst müssen wir die Klischees aus unseren Köpfen verbannen.«
»Aus wie vielen Köpfen?«, erkundigte sich Michaela und zog amüsiert eine Braue hoch, während sie Selleriestückchen in eine große grüne Schüssel schüttete.
»Wir haben nach einem … Schwarzen Mann gesucht, würde ich sagen, in Ermangelung eines besseren Namens. Aber wir haben nicht wirklich unsere Köpfe eingeschaltet.«
»Weil ihr kein Blau riechen könnt«, sagte Paul, ohne aufzublicken. Er schichtete die Papiere um, die George zu ordnen versucht hatte. »Es ist nicht, nicht, nicht eure Schuld.«
War es doch. Ich konnte nicht nur nicht Blau riechen, sondern arbeitete überdies eine neue Kollegin ein, die zwar eine meiner Persönlichkeiten mochte, aber nicht alle . Meinem Freund war etwas zugestoßen, und ich konnte Max Gallo nicht aus meinen Gedanken verbannen. Allerdings fragte ich mich, ob es nicht genau daran lag, dass ich ihn nicht aus dem Kopf bekam. Je mehr persönlichen Mist ich zu bewältigen hatte, desto weniger Zeit blieb dafür übrig, mich schuldig zu fühlen, weil ich kein Blau riechen konnte.
»Wir haben alles von der falschen Seite aus betrachtet.« Ich wusste nicht genau, worauf ich hinauswollte … ich war nicht einmal sicher, warum ich überhaupt den Mund aufgemacht hatte. Aber der Ansatz … fühlte sich richtig an. Also prüfte ich es, während ich darüber nachdachte, und sprach es unverzüglich aus. »Weiße Teenager, die im Sommer ermordet werden. Seit über fünfzig Jahren. Es hätte ebenso gut der Schwarze Mann sein können, weil wir einfach nicht fähig waren, die Wahrheit zu erkennen.«
»Was faselst du denn da?«, fragte George, und Emma Jan nickte bestätigend. Beide starrten mich an, als hätte ich plötzlich eine vierte Persönlichkeit entwickelt. Mann, das sollte ich nicht mal im Scherz sagen …
»Serienmörder sind normalerweise keine geifernden Psychopathen. Abgesehen davon, dass sie natürlich Psychopathen sind . Das wissen wir. Rein verstandesmäßig. Aber denken wir nur an Ted Bundy, einen ganz normal aussehenden Mann. Oder an Dorothea Puente! Eine kleine alte Dame! Sie sieht wie eine liebe alte Oma aus. Wenn ich jemals meine Großmütter kennengelernt hätte, hätte eine von ihnen … «
»Das ist aber wirklich eine furchterregende Vorstellung«, sagte George mit erschrocken aufgerissenen Augen. Er kannte Teile meiner Familiengeschichte und hatte völlig zu Recht Angst.
»… bestimmt genau wie Dorothea Puente ausgesehen. Die Geschworenen haben es nicht geglaubt! Herrgott, Jesus, ich habe ihre Akte unzählige Male gelesen, und selbst ich hab es nicht geglaubt. Aber diese liebe alte Oma hat mindestens neun Menschen ermordet und in ihrem Garten vergraben. Weil sie ihr Geld haben wollte.«
»Lass sie ja nicht von Geld anfangen«, flüsterte George Emma Jan zu. »Oh, wart mal. Es ist Shiro, die Probleme mit Geld hat. Aber geh lieber auf Nummer sicher, und lass keine der beiden von Geld anfangen.«
»George: Halt die Klappe .« Sein erstaunter Blick war für mich wie ein Sechser im Lotto. Ich hasse Grobheit, aber zuweilen … nie hatte ich George gesagt, er solle die Klappe halten. Und jetzt? Sieben Mal in zwanzig Minuten. Der Tag versprach interessant zu werden.
Ich holte tief Luft. Zumindest
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