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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hunderttausend Pfund. Da muß ich einen Engrospreis bekommen!«
    »Schauen Sie! Prima Ware!« pries sie, indem sie ihren roten Arm in einen Nußsack steckte; »Sie kriegen sie nirgends so billig! Soll ich Ihnen zuliebe an meiner Ware zusetzen ? Sie sind ein hübscher Kerl, aber dazu gefallen Sie mir doch nicht genug! Hm! Wenn Sie sehr viel brauchen, könnte man sich ja allenfalls auf zwanzig Francs einigen, denn einen Stadtverordneten soll man sich nicht entgehen lassen! Man weiß nicht, wozu es gut ist! Fassen Sie doch mal die schöne Ware an! Das sind Nüsse! Keine fünfzig gehen auf ein Pfund! Und nicht ein Wurm ist drin!«
    »Na, dann schicken Sie mir morgen früh in meine Fabrik Rue du Faubourg du Temple sechstausend Pfund zu Zwölfhundert Francs, zahlbar in einem Vierteljahr!«
    »Soll pünktlich besorgt werden, Herr Stadtrat. Adieu! Nichts für ungut! Wenn Sie's aber nicht geniert«, setzte sie hinzu, »so möchte ich mein Geld in sechs Wochen haben. Ich bin billig genug mit Ihnen, ich kann doch nicht auch noch den Diskont verlieren! Wenn der alte Gigonnet auch noch so'n zärtliches Herz hat, so saugt er unsereinen doch aus wie die Spinne eine Fliege!«
    »Schön! Also in sieben Wochen! Aber wir wiegen nach! Und hundert Pfund Zugabe, um die hohlen auszugleichen! Sonst wird nichts aus der Sache!«
    »Donnerwetter, der versteht's! Den kann man nicht beschummeln! Ja, ja, die großen Wölfe schonen die armen kleinen Lämmchen nicht!«
    Das »arme kleine Lämmchen« war in diesem Falle fünf Fuß hoch, hatte drei Fuß Umfang und glich einem in gestreiftes Baumwollzeug gehüllten Prellsteine.
    In Gedanken versunken ging der Parfümeur die Rue Saint-Honoré entlang. Er dachte an den Konkurrenzkampf mit dem Macassar-Öl, an die Etiketten, die Form der Flaschen und Stöpsel und die Farbe der Plakate. Und da wird behauptet, es sei keine Poesie im Handel! Newton brauchte zu seiner berühmten Entdeckung nicht mehr Berechnung als Cäsar für seine Nußessenz. Aus dem »Öl« war also eine »Essenz« geworden! Er sprang von einem Ausdrucke zum andern, ohne ihre einzelne Bedeutung zu kennen. In seinem Kopfe quirlte es richtig durcheinander. Dieses Grübeln ins Blaue hinein hielt er für etwas Geniales.
    In seiner Versonnenheit ging er über die Rue des Bourdonnais hinaus und mußte wieder umkehren, als er sich an seinen Onkel erinnerte.
    Joseph Pillerault war ehemals Kurzwarenhändler. Er war ein wirklich schöner Mensch: in Tracht und Benehmen, Verstand und Herz, Sprache und Gedanken. An ihm war alles harmonisch. Er war Frau Birotteaus einziger Verwandter; auf sie und Cäsarine hatte er auch seine ganze Liebe übertragen, nachdem er im Laufe der arbeitsreichen Jahre Frau, Sohn und Adoptivsohn – seiner Köchin Kind – durch den Tod verloren. Infolge der schmerzlichen Verluste war er zum Stoiker und Altruisten geworden. Diese wunderbare Weltanschauung verlieh seinem Dasein Inhalt und vergoldete seine letzten Tage wie die Winterabendsonne eine Schneelandschaft.
    Mit seinem ernsten hagern Gesicht sah er aus wie die Verkörperung der Zeit. Er war von mittlerem Wuchse, eher untersetzt als dick, kräftig gebaut und so recht zur Arbeit und zum Sichabmühen geschaffen. Er war temperamentlos, nicht nervös, aber nicht unempfindlich. Daß er eine ziemlich verschlossene Natur war, zeigte schon sein ruhiges Wesen und sein bedächtiges Gesicht. Er hatte eine niedrige Stirn voller Falten und kurzes, starkes, silbergraues Haar. Sein feinliniger Mund verriet Klugheit. Offenbar war er weder kleinlich noch geizig. Seine grünlichen lichten Augen hatten etwas Jugendliches; sie zeugten von einer enthaltsamen Lebensweise. Rechtlichkeit, Pflichtgefühl und Bescheidenheit lagen in seinen Gesichtszügen ausgeprägt. Daß er durch und durch gesund war, sah man auf den ersten Blick.
    Pillerault hatte sechzig Jahre hindurch das harte, nüchterne Leben eines unermüdlichen Arbeiters geführt. Bis zu seinem zweiunddreißigsten Jahre war er Kommis gewesen. Dann hatte er sich mit seinen Ersparnissen selbständig gemacht. Sein bedächtiger, kluger, vorsichtiger Charakter spiegelte sich in seiner Geschäftsführung wider. Wie alle nachdenklichen Naturen studierte er die Leute, indem er sie reden ließ. Oft lehnte er vorteilhaft aussehende Geschäfte ab, die dann seine Konkurrenten annahmen und hinterher zu bereuen hatten. Man sagte deshalb, Pillerault wittere die Gauner. Er zog kleine, aber sichere Gewinne gewagten Unternehmungen vor, bei denen man viel

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