Caesar erwacht!
großen französischen Staatsmannes gewesen war, der geköpft wurde. Jo begann mit zitternder Stimme seine Beichte.
Kardinal Wallinger hörte seinem Neffen ruhig, ohne Zwischenfragen, zu und war kaum einer Regung fähig. Was er zu hören bekam, war zu ungeheuerlich. Sein Blutdruck drängte in ungeahnte Höhen, sein Herz schlug fast bis zum Hals.
Jetzt war die Wissenschaft eindeutig zu weit gegangen. Die Kirche hatte immer wieder Warnungen ausgestoßen. Vor allem ganz gezielt in diese Richtung. Und doch hatten sich einige nicht davon abhalten lassen, ihr gottloses Werk zu beginnen und es vor allem mit einem überragenden Ergebnis zu beenden. Und das schon vor vielen Jahren. Wie viele Klone gab es mittlerweile noch? Wurden sie von diesen Wesen schon unterwandert? Nicht auszudenken! Klone im Vatikan!
Fest stand, dieses … Untier, Caesar, musste aufgehalten werden. Nicht, weil es einen Krieg anzetteln wollte. Nein, beileibe nicht. In Kriegszeiten rückten Menschen wieder zusammen und erinnerten sich an Gott. Diese Generation hatte es bitter nötig. Reihenweiser Austritt aus der Kirche war eine populäre Massenbewegung, die nicht mehr aufzuhalten war. Es sei denn: In großer Not riefen alle nach ihrem Schöpfer und erbaten Hilfe! Alle bevölkerten wieder zuhauf die Kirchen.
Aber dieses Wesen durfte nicht existent sein. Auch nicht die anderen. Plötzlich fiel Wallinger ein, unter welchem Pseudonym sich Caesar verborgen gehalten hatte. Jo nannte ihn Gaetano Sovrano? Der berühmte Filmproduzent, welcher beim Papst bereits eine persönliche Audienz erhalten hatte? Der vorgab, gläubiger Christ zu sein? Sogar katholisch getauft? Und damit das Recht besaß, die heiligen Sakramente zu empfangen? Wollte er sie verhöhnen? Die höchste Instanz?
„Blasphemie, Blasphemieee …!“, schrie er plötzlich laut auf.
Wallingers Pumpe machte einen Aussetzer; er rang, sich ans Herz fassend, nach Luft.
Jo sprang alarmiert auf. „Ein Arzt! Schnell, ruft einen Arzt!“, brüllte er gellend in den Gang der Kardinalsbehausung hinaus.
Draußen wimmelte es plötzlich vor Bediensteten, die zu dem um sein Leben kämpfenden Mann ins Zimmer eilten.
Ein völlig aufgelöster Jo, der wie ein Besessener vor einer Teufelsaustreibung tobte, empfing die schnatternden Leute, die sich alle um den Kardinal drängten.
Pater Michael nahm geistesgegenwärtig das moderne Herzmittel in einem oralen Spender vom Schreibtisch und spritzte es dem alten Mann unter die Zunge.
Augenblicklich verbesserte sich sein Zustand, aber er blieb erschöpft liegen. Nach unendlich langen zehn Minuten hörte man den erlösenden Ton des herannahenden Krankenwagens. Die Ärzte versorgten den aufgeregten Mann, der jedoch mit einem Abtransport nicht einverstanden war. Sie konnten nur erste Hilfe leisten und seinen Wunsch respektieren. Der Spuk war nach einer Stunde vorbei.
Jo schlich mit hängendem Kopf in das Schlafzimmer seines Onkels. Was hatte er nur angerichtet? Seine überreizten Nerven versagten nun völlig den Dienst. Tränenüberströmt ging Jo in die Knie; sein Kopf fiel in die Bettdecke seines ruhenden Oheims. Seit vielen Wochen hatte Jo nicht mehr gebetet. Recht merkwürdig für einen angehenden Priester. Das war sogar Pontifex Caesar aufgefallen. Nun fummelte er seinen Rosenkranz aus der Hose und begann unter heftigen Weinkrämpfen ein recht fragmentarisches Gebet.
Herr, ich habe gesündigt. Ich habe den falschen Göttern gehuldigt. Wohl die schlimmste aller Sünden? Vergib mir, Herr!
„Pater noster! Der Du bist im Himmel. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Und vergib uns unsere Schuld. Und führe uns nicht in Versuchung. Sondern erlöse uns von dem Üüüüübel …“
Der Kardinal erwachte vom bebenden Aufschrei des aufgelösten Jünglings. Er streckte ihm matt die Hand entgegen und streichelte seinen Kopf.
„Mein armer Junge!“, flüsterte er. „So viel Verwirrendes hast du durchmachen müssen. Es ist gut, dass du dein Gewissen bei mir erleichtert hast. Dich trifft keine Schuld. Ist dieser gottlosen Frau, mit der du immer herumziehst, nichts heilig? Dich in solche Gewissensnöte zu zwingen. Du bist noch viel zu jung, um so extrem gefordert zu werden. Aber du solltest bald einmal Stellung beziehen – zwischen Kirche und Wissenschaft. Deine Wankelmütigkeit und Unsicherheit haben dich in diesen schwer traumatischen Zustand versetzt. Und dein norddeutscher Vater hat auch nicht gerade zur Festigung beigetragen, mein Sohn.
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