Caesar erwacht!
stolperte auf Nicole zu.
„Hübsches, kleines Ding!“ Sein Atem roch widerlich nach billigem Fusel. Er hatte schon genug Alkohol intus und musste sich in dem Augenblick übergeben, in dem Nicole direkt vor ihm stand. Sie erhielt eine Ladung Obdachlosen-Lebenselixier als Retoure auf ihre Hose und Schuhe. Dann fiel der Mann um und blieb wie tot liegen.
Bob kam entsetzt hinzu und wollte Nicole wegziehen.
Nicole aber blieb ganz Profi. Sie stieß ihn weg und pöbelte ihn an. „Lass mich in Ruhe, du Scheißkerl!“ Wieder hob sie ihre Flasche an und trank daraus. Ihre besudelte Hose beachtete sie gar nicht.
Bob war fasziniert, wie extrem sie sich in eine solche Menschengruppe, die ihr doch eigentlich fremd sein müsste, hineinversetzen konnte. Er entfernte sich etwas und beobachtete sie. Wie sie das Gespräch suchte und auch Antworten erhielt! Sie lachte das irre, leere Lachen eines Menschen, der jegliche Hoffnung verloren und keine Ziele mehr vor Augen hatte. Wie alle hier. Sie baute langsam, aber sicher ein Vertrauensverhältnis auf. Eigentlich dauerte das Tage, ja Wochen, hatte Bob in Erinnerung. Das Wort „Misstrauen“ bekam hier eine ganz neue Bedeutung. Und Nicole fegte dieses an einem einzigen Abend weg. Sie tanzte und sang und war plötzlich ganz Mittelpunkt. Die Männer klatschten im Rhythmus und jubelten ihr zu. Sie brauchte diese Aufmerksamkeit, sie wollte jemanden aus seiner Deckung locken.
Wie der Bruder, so die Schwester! Bob dachte fälschlicherweise an eine ganz andere Motivation. Beide müssen einen Hang zum Theater haben. Zum Verkleiden, zum Entertainment, zum Bejubeltwerden.
Immer schneller drehte sich Nicole und kam dem Feuer gefährlich nahe.
Verbrenn dich nicht, Nicole! Bob schaute besorgt in ihre Richtung. Wenn die Männer sie jetzt ins Feuer stießen, würde er nicht schnell helfen können. Er stand zu weit abseits. Sie schien jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben. Das Feuer loderte wie ein Scheiterhaufen und schien gierig, gleich einer Hexenverbrennung, nach Nicole zu schnappen. Bob drängte sich durch die johlende Männerschar, um ihr besser Schutz bieten zu können.
Ein Mann versperrte ihm den Weg.
Bob bemühte sich, an ihm vorbeizukommen, aber ihm wurde brutal ein Ellenbogen in die Rippen gestoßen. Nach Luft schnappend, ging er zu Boden.
Nicole war weit jenseits vom Realitätsverlust. Sie beobachtete genau, was vor sich ging, während sie ihren Hexentanz vollführte.
Ein weiterer Mann stolperte und fiel direkt auf Bob. Es kam zu einem kurzen Handgemenge, worauf Bob als Sieger hervorging. Das Gesetz des Stärkeren, hatte Bob gesagt. Und genau so erkämpfte er sich den Respekt in der Meute. Das erste Mal in seiner Laufbahn hier draußen, dass er sich gewehrt hatte. Ein kleiner schmerzauslösender Griff aus seiner guten, alten Soldatenzeit brachte den Gegner zu Fall. Bobs Kämpferherz war endlich wieder erwacht. Nicole war die Bahn brechende Kraftquelle.
Nicole machte die Menge auch auf den Sieger aufmerksam, die sich nun auf Bob stürzten. Sie nahmen ihn auf und warfen ihn in die Höhe, ihren neuen Helden, der ihnen schnell klar gemacht hatte, wer hier der Anführer im Rudel war. Unbeabsichtigt hatte er sich in eine Führer-Position manövriert, aus der es zurzeit kein Entrinnen gab. Nun durfte er keine Bescheidenheit an den Tag legen. Nicht wieder in seine alten, sanften Gewohnheiten fallen. Nicoles Blicke machten ihm klar, dass er sich zusammenreißen musste und in welchem Auftrag sie unterwegs waren. Gottergeben ließ er sich feiern, ganz wider seine Natur.
Das Schauspiel dauerte noch einige Zeit an, bis Nicole und Bob mal eine Verschnaufpause bekamen. Der Alkohol ging letztendlich als alleiniger Sieger hervor und betäubte die lärmende Schar nacheinander. Jeder verkroch sich an einen warmen Platz und verwies einen Nächsten, sich einen anderen Platz zu suchen. Auch dies hatte Bob vorausgesagt.
Nicole und Bob suchten sich einen Schlafplatz, etwas weiter weg. Bobs Rudelführeranspruch ermöglichte ihnen ein, für die Verhältnisse, luxuriöses Plätzchen.
Nicoles Magen knurrte, zu dieser Zeit war er sonst längst gefüllt worden. Aber auch ein knurrender Magen war eine gute Tarnung. Also kuschelte sie sich an Bob und flüsterte ihm zärtlich „gute Nacht“ zu.
Bob blieb noch sehr lange wach. Er hatte Angst, dass einer der wilden Burschen Nicole belästigte. Schmerzhaft spürte er die kleine Waffe an seinem Fuß. Beim Kampf war sie im Socken
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