Caesar erwacht!
sanftes, männliches Wesen überhaupt beim Militär enden und auf Kriegsschauplätzen überleben? Und einen so hohen Dienstgrad einnehmen?
Liebevoll befüllte er die Teller der Wartenden, die in einer endlosen Schlange standen. Dabei guckte er jedem freundlich in die Augen, sprach ein paar nette Worte und schob den Teller höflich in die Richtung.
Nicole wurde bei diesem Anblick ganz warm ums Herz. Wie viele Männer hatten schon versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen und nur eine Abfuhr erteilt bekommen. Männer in hohen Positionen, mit Reichtum, Macht, Ansehen oder einfach nur arroganter Affektiertheit. Und Bob vollbrachte dies mit einem einzigen Lächeln, während er Obdachlose bediente. Was für ein stilles Juwel er war, unter all dem falschen Trug und Schein funkelnder Brillanten in der Oberwelt!
Aber was für eine gute Schule ist auch das nackte Überleben, überlegte Nicole. Sie dachte an ihre zwei Söhne, die in ihrem Elite-Internat darauf programmiert wurden, die Oberwelt zu beherrschen und diese Unterwelt nie zu beachten, geschweige denn sie zu betreten.
Auch in der Mission und an den unzähligen geheimen Übernachtungsorten der Menschen, die kein Zuhause mehr hatten, wurde ihnen erklärt, dass die Mädchen gänzlich unbekannt waren. Nicoles Verdacht bestätigte sich immer mehr.
Die nächsten zwei Nächte verbrachten Bob und Nicole noch auf dem Bahnhof und an anderen bekannten Plätzen. Dann gab es für sie keinen Zweifel mehr. Die Obdachlosen-Szene diente dem Mörder lediglich als Tarnung. Hier legte er die Mädchen nur ab. Und die Polizei war ja auch darauf reingefallen. Reihenweise wurden diese Menschen zu Verhören ins Yard gebracht, wie Bob. Dass sie nichts sagten, lag in der Natur der Sache: „Warum soll ich euch helfen, wenn ihr mir nicht helft, mich verstoßen habt? Außerdem lebe ich jetzt außerhalb eurer Gesetze. Ich bin frei! Deshalb bin ich ausgestiegen. Schluss mit euren Machtspielchen!“
Auch dies hatte Nicole auf ihre Weise erfahren. Ein Polizist würde das sonst nicht so schnell herausbekommen. Nicole hatte die Antworten, die sie brauchte, um gezielt an anderen Quellen zu forschen. Am dritten Tag verabschiedeten sich Nicole und Bob heimlich vom Untergrund und kehrten zurück auf das weiter östlich liegende Schiff, wo Jo schon ungeduldig an Deck wartete.
Er bestürmte sie natürlich sofort mit Fragen, aber Nicole winkte erst einmal müde ab. Es war anstrengend gewesen, eine 180-Grad-Wandlung zu vollführen, ungemütlich und kalt, auf hartem Grund zu schlafen und Informationen von Menschen zu erhalten, die voller Misstrauen und Abwehr waren. Dies hatte Nicole auch anfänglich bei Bob beobachtet. Wie aufreibend es gewesen war, ihn zum Bleiben zu bewegen! Gott sei Dank hatte sie dieses Hindernis überwunden.
Wie selbstverständlich folgte er ihr wieder aufs Schiff.
Jo war über Handy schon informiert worden und hatte Kaffee und Sandwiches vorbereitet. Sie aßen alle drei schweigend, duschten lange und verschwanden dann auch recht schnell ins warme, gemütliche, saubere Kojenbett. Nicole schwor sich noch, Bettwaren, Kleidung, Schuhe, Nahrung und Medikamente zur Mission zu bringen. Dinge, die dort dringend fehlten.
Warum ist mir das nicht früher, von selbst, eingefallen? Ich alte Heuchlerin! Mit diesen Gedanken schlief Nicole ein.
Kapitel 8/VIII – In vitro veritas
Das Telefon weckte Nicole aus ihren unruhigen Träumen. Es war 8 Uhr morgens. Jean-Luc steckte in der Leitung.
„Guten Morgen, ma chére, hast du schon gehört? Ein weiterer Leichenfund in Amburg, Allemagne“, kam es ganz aufgeregt aus dem Hörer.
Nicole war sofort hellwach.
„Die gleiche Vorgehensweise? Entschuldigung, erst mal guten Morgen, Bruderherz.“
„Naturellement, ma chére. Würde ich dich sonst anrufen? Wieder blond, jung, unschuldig, obdachlos und ausgeweidet. Was denkst du?“
„Ich war mit Bob in der Obdachlosenszene. Mir wurde dort berichtet, dass die Frauen nicht bekannt sind. Recherchiere mal bei euch, ob das auch auf Paris zutrifft! Ich habe einen schrecklichen Verdacht, der weit über einen, pardon, einfachen Rippermord hinausgeht. Und dieser erhärtet sich durch Hamburg sogar. Aber ich werde mich erst mal mit Jo und Bob wesentlich südlicher begeben, sozusagen ins Land der Buren. Sobald ich Näheres in Erfahrung gebracht habe, rufe ich dich an. Salut!“
Nicole wollte auflegen, Jean-Luc hielt sie jedoch zurück. „Du willst nach Südafrika fliegen?
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