Cäsar läßt grüssen
zu sagen. Der Stamm der Cimbern war ausgelöscht.
Rom empfing Marius wie einen Halbgott. Er bekam einen Triumphzug, man trug ihm das sechste Konsulat an, und man verlieh ihm den offiziellen Namen »Vater des Vaterlandes«.
IM ACHTEN KAPITEL
ist die teutonische Gefahr glücklich überwunden, und die Plebs kann sich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung hingeben, dem Radaumachen. Clio, was die Muse der Geschichte ist, beschließt, uns einfürallemal die zwei Möglichkeiten eines staatlichen Zusammenlebens wahlweise vorzuführen, undgebiert Marius (mit dem Titel Vater des Vaterlandes) und Sulla (ohne Titel, einfach Sulla).
Wenn die Umstände es erlauben, kommen die Demagogen wieder heraus und treten ins Sonnenlicht.
Die Umstände in Rom erlaubten es. Es war Friede. Es herrschte Wohlstand und Wohlfahrt, was meistens Hand in Hand geht, weshalb ja auch die ersten Silben gleichlauten. Natürlich gab es weiter ein großes Proletariat, es wurde von Tag zu Tag größer, prachtvolles Material für Agitatoren, denn es stand stündlich zur Verfügung, war stets auf den Straßen, immer greifbar, immer ansprechbar, wohingegen Schuster, Färber, Fischer, Maurer bei der Arbeit und nicht so leicht zusammenzutrommeln waren.
Ein ungewöhnlich widerlicher Bursche — auch nach dem Urteil eigenwilligster moderner Historiker — war ein gewisser Appuleius Saturninus, der sich nun an allen Ecken und Enden zum Wortführer der Masse machte. So übernahm er sogleich die »Sorge« für die Veteranen und Reservisten des Heeres, was durchaus Sache von Marius war. Er schrie auch nach verbilligtem Getreide, nach Unterstützung der »Ärmsten der Armen«, er zog sich alle Schuhe der Gracchen an, obwohl sie ihm um vieles zu weit waren. Er arbeitete auch mit Betrug: Eines Tages stellte er dem Volk als seinen Anhänger den Sohn des Tiberius Gracchus vor, der sich bei näherem Hinsehen als ein wildfremder Bengel entpuppte. Und nicht nur mit Betrug arbeitete er, sondern auch mit Mord. Als ein Volkstribun ihn bei einer Abstimmung zu Fall brachte, wiegelte er den Pöbel auf, den Mann zu erschlagen. Sie erschlugen ihn zwar nicht — wohl aus Scheu, direkt Hand an ihn zu legen, aber sie rissen das Pflaster auf und steinigten ihn von weitem zu Tode.
Es gibt keinen Zweifel: es muß den Leuten verhältnismäßig gut gegangen sein, man kann mir erzählen, was man will. Pflasteraufreißen ist erfahrungsgemäß kein Akt, der auf Verzweiflung basiert, sondern auf Lust am Anarchischen, auf Lust an der Machtprobe.
Bei der Konsulwahl des Jahres 99 kam es durch den Pöbel erneut zu Mord und Totschlag. Appuleius Saturninus mobilisierte sogar Sklaven zum Straßenkampf. Immer im Namen des Volkes, im Namen der Gracchen und im Namen von Marius, der sich dieser Laus nicht erwehren konnte. Der Senat verkündete den Notstand und warf Truppen auf die Straße. Marius, noch Konsul, stand zwischen Bork und Baum, zwischen dem Abscheu vor den Verbrechern und dem Haß gegen die »Optimaten« (Patrizier und Geldadel), denen er das Zittern gönnte. Er machte einen lauen Versuch, seine »Freunde« zu retten, mit dem Erfolg, daß er selbst politisch erledigt war. Das Volk, das wirkliche Volk, Lastträger, Maurer, Kutscher, Schmiede, war inzwischen auf die Barrikaden gegangen und hatte an den Aufrührern das Urteil vollstreckt und sie gelyncht. Widerliche Dinge, widerliche Verbiegungen der Wahrheit, widerliche Verbiegungen von Lebensanschauungen. Uneinsichtige Patrizier, die jeden Zopf aus alter Zeit glaubten retten zu müssen; habgierige »Unternehmer«, die, gleichgültig welche Rechte man der Masse zugestand, aufreizend wirkten. Übersättigte, ziellos gewordene Kleinbürger. Ehrgeizige und skrupellose Demagogen, feige, opportunistische Priester, dämliche Senatoren, korrupte Provinzbeamte, korrupte Prätoren und Quästoren, blutsaugerische Steuereinnehmer in Sizilien, in Gallien, in Spanien, in Afrika, in Griechenland, in Kleinasien..., wenn Sie das alles »brennend interessiert«, dann sind Sie der ideale Abnehmer für die modernen Geschichtsbücher. Mich selbst ekeln diese Dinge derart an, daß ich es kaum sagen kann. Konsuln kamen und gingen; Marius war nicht mehr darunter, er war von der Bühne verschwunden. Volkstribunen kamen und gingen, jeder riß den Mund auf, jedoch keiner kannte neue goldene Berge, die man versprechen konnte, und als im Jahre 91 der erste kam, der von der römischen Plebs etwas forderte, statt zu verheißen — da scheiterte er. Der Mann hieß Livius
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