Cäsar
weniger streng. Er lächelte, aber es war ein boshaftes Lächeln. »Mein Leben in deiner Hand«, sagte er, »und noch mehr deines in meiner. Ich sollte dich sofort hinrichten lassen.«
Aurelius stand reglos vor ihm. Etwas Kaltes kroch seinen Rücken hinunter.
»Andererseits wäre es vielleicht nicht schlecht, irgendwann einmal, wenn die Dinge weiter gediehen sind, darüber reden zu können mit einem, der nichts damit anfangen kann.«
»Herr?«
Caesar hob die Reinschrift hoch. »Deine Handschrift, nicht meine«, sagte er. »Nun geh. Ich will es lesen. Und draußen darfst du nachher überlegen, wenn du Rauch siehst, ob ich nur die Fetzen verbrenne oder beides.«
Alle waren geblendet. Und alle schwiegen, als die Schiffe vorbei am gewaltigen Leuchtturm in den Hafen von Alexandria glitten. Es war mittlerer Vormittag, die Sonne stand fast senkrecht über den aufgetürmten Häusern und Palästen, und viele Atemzüge lang war nichts zu hören als das Knirschen und Eintauchen der Ruder und das Plätschern des Wassers am Bug. Es war, als hätte die Hauptstadt der ptolemaischen Könige Marmorfronten, Goldkuppeln und Silberfriese nur gebaut und gehortet, um das Licht des Sonnengottes zu sammeln und den Römern überwältigendes Gleißen entgegenzuschleudern. Lernt Demut, Eindringlinge, ehe ihr euch der Hoheit des Herrschers nähert.
Dann hörte Aurelius einen scharfen Befehl, der einem der Steuerleute galt, und erwachte aus dem Bann. Er löste sich von der Bordwand, an der er gelehnt hatte. Eben ließen sie die durch einen langen Damm mit dem Festland verbundene Insel Pharos und den gewaltigen Leuchtturm hinter sich. Aurelius beschirmte die Augen mit der Hand, um die Blendung zu mindern, sah wieder nach vorn und zählte die Kriegsschiffe.
»Prächtiger Anblick, was?« Orgetorix trat neben ihn und blickte ebenfalls hinüber zu den Einheiten der ägyptischen Flotte. Zehn Wachschiffe - schwere Dreidecker mit Rammsporn, Bugpanzerung und hohen Aufbauten zum Schutz der eigenen Bogenschützen, Fußkämpfer und Katapulte - hatten die Römer seit dem Morgengrauen begleitet, weitere zwölf lagen im Königshafen, dazu an die sechzig schnellere Kampfschiffe. Bei diesen handelte es sich, wie Aurelius vermutete, um die Boote, die zur Unterstützung (oder Beobachtung?) von Pompeius an die thessalische Küste geschickt und nach der Schlacht von Pharsalos abgezogen worden waren. Außerdem gab es noch jede Menge kleinerer Kurierboote, Küstensegler und Überwachungsschiffe.
»Prächtig, fürwahr.« Aurelius schaute zum erhöhten Achterdeck der Triere, wo Caesar sich mit dem Rhodier Euphranor und Quästor Tiberius Claudius Nero unterhielt. Sie wirkten ruhig, völlig entspannt. »Die hohen Herren scheinen unbesorgt zu sein. Dabei… wenn die Ägypter jetzt beschließen, uns einzusacken, sind wir verloren.«
Der Gallier spuckte über die Bordwand, beugte sich vor und sah der im Brackwasser vergehenden Ausscheidung nach.
»Wer sollte es wagen, den Sieger von Pharsalos anzugreifen?« Aurelius gluckste. »Jeder, der weiß, wie wenige wir sind.«
»Aber wozu? Nur, weil Pompeius hier ist? Was wird Caesar eigentlich mit ihm machen, wenn er ihn kriegt? Falls er ihn kriegt?«
»Er wird ihn ehren und versuchen, sich mit ihm auszusöhnen. Falls wir das hier überleben.«
Zehn Dreidecker, von den Rhodiern zur Verfügung gestellt, und drei Dutzend dickbäuchige Frachtsegler, alle vollgestopft mit Pferden, Waffen, Vorräten und Caesars Soldaten, die bei Flaute und jetzt, bei der Einfahrt in den Hafen, auch einige Ruder übernommen hatten. Wenn es einen günstigen Augenblick für einen Angriff gab, dann jetzt.
Aber der König und seine Berater schienen nichts Derartiges zu beabsichtigen. Offenbar wollten sie sich nach der halbherzigen Unterstützung für Pompeius nun aus dem römischen Konflikt heraushalten.
»Überhaupt, von wegen prächtig.« Orgetorix musterte Aurelius von Kopf bis Fuß und grinste breit. »Wie lange hast du putzen müssen, bis alles so glänzt?«
»Ich habe einem putzwütigen Soldaten einen Denar bezahlt.«
Caesar hatte den Stabsoffizieren - »auch Präfekt Quintus Aurelius« - und der gesamten prätorianischen Kohorte befohlen, sich gewaschen und glänzend mit allen Waffen und in voller Rüstung bereit zu halten. Man wolle doch den jungen König, Sohn des Horos, Pharao, Herr des Oberen und Unteren Ägypten und Nachkommen von Alexanders Feldherrn Ptolemaios, nicht erschrecken oder durch Gestank betäuben.
Weitere Kostenlose Bücher