Cäsar
Überlegenheit nicht recht nutzen, vom Einsatz größerer Geschütze oder Kriegselefanten nicht zu reden.
Die Römer waren zu wenige, um mehr als zähe Gegenwehr zu bieten, und warteten auf Verstärkungen. Kleopatra wollte die eigenen Bürger schonen und schickte ihr Heer deshalb nicht in die Stadt; es zog durchs Hinterland, sollte etwas gegen die Nachschublinien des Königsheers tun und wurde dem Vernehmen nach jeden Tag kleiner. Nachrichten von Laomedon gab es nicht - wie hätte er denn Boten in die Stadt schicken können?
Kräftige Nordwinde brachten endlich erste Nachschubschiffe mit Geld, Getreide, Waffen und wenigen Kämpfern; die gleichen Nordwinde hinderten aber Caesar am Auslaufen. Falls er dies gewünscht hätte, was zweifelhaft war.
Kleopatra hatte zu den Soldaten gesprochen; seitdem war jeder einzelne Römer in sie verliebt. Man stritt sich ein wenig, aber nicht sehr ernsthaft, über die Frage, ob Kleopatra in Caesars Bett sei oder er in ihrem, aber die Truppe war stolz auf den »geilen Glatzkopf«, gönnte ihm das Vergnügen mit der schönsten Frau der Welt und schwor, daß es auch für sie eines sein müsse. Als er sie bei einer Stabsbesprechung zusammen sah, fand Aurelius, daß beide durchaus vergnügt wirkten. Sofern man im Zustand von Krieg und Belagerung vergnügt sein konnte, und sofern »vergnügt« das richtige Wort war für die Empfindungen einer Göttin und eines - ja, was?
Viel Zeit blieb ihm nicht, die Frage, was Caesar eigentlich sei, zu erörtern. Er sagte sich aber, daß langes Denken in Alexandria ein Problem, mit dem er sich seit vierzehn Jahren befaßte, auch nicht lösen würde.
Fünf Tage nach Kalypsos Ankunft zog Caesar ihn von der Hafenfront ab; er brauche ihn für ein Stoßtruppunternehmen. Orgetorix und andere Späher hatten es vorbereitet.
An diesem Abend schien Alexandria zu bersten. Achillas schickte seine härtesten Kämpfer los, um den König zu befreien. Es handelte sich nicht um gewöhnliche Truppen ägyptischer oder ägyptisch-makedonischer Abkunft, sondern um etwas, das Cicero vermutlich »Höllenmeute« genannt hätte: in Syrien fahnenflüchtig gewordene Soldaten von Pompeius und Gabinius, verlandete Seeräuber aus Kilikien, ehemalige Straßenräuber aus Syrien, Arabien und Griechenland, außerdem Verbannte aller möglichen Länder und zum Tode Verurteilte, denen Achillas ein zweites Leben gewährte.
Mit diesen Truppen versuchte er, in den Stadtteil Brucheion einzudringen, von allen Seiten zugleich, und nicht nur den König wieder in seine Gewalt zu bekommen, sondern unter Aufbietung aller Kräfte den Palast zu stürmen und gleich Caesar und Kleopatra dazu festzusetzen. Die Späher hatten gute Arbeit geleistet, und Caesar schien die Art des Angriffs erraten oder gewittert zu haben. Die klug verteilten Kohorten schlugen die Angriffe zurück, aber die Verluste waren auf beiden Seiten hoch.
Während diese Kämpfe tobten, brach Aurelius, so schnell er hinken konnte, mit zwei Centurien auf. Sie sprengten die Tore eines kleinen Stadtpalasts, gelangten von dort auf die Dächer anliegender Wohnhäuser, abermals über Dächer zu einer Mauer, hinter der ein Garten lag, in dem Garten ein Haus mit Bibliothek, und in der Bibliothek lag Potheinos. Auf seiner Brust, das lange Messer an der Kehle des Eunuchen, saß Orgetorix und grinste breit, als Aurelius und seine Leute eintrafen. Zehn Bogenschützen und weitere zehn Fußsoldaten hatten einen Kreis um den Gallier gebildet und hielten Potheinos‘ Diener und von diesen herbeigerufene Soldaten zurück.
»Er gibt die Befehle«, sagte Orgetorix, »aber so fett, wie er ist, kann er ja nicht kämpfen. Also dachten wir uns, wenn alles kämpft, ist das die beste Gelegenheit, ihn zu schnappen.«
Den Rückweg mußten sie blutig freikämpfen. Sie verloren zehn Männer, und mehrere Dutzend waren verletzt, als sie mit Potheinos den Palast erreichten.
Mit einigen überraschenden Gegenstößen gelang es in dieser Nacht, weitere wichtige Punkte zu besetzen. Caesar ließ sie in den folgenden Tagen durch Befestigungen sichern.
Von kundigen Händen eindringlich ermuntert, habe Potheinos, hieß es, lebhaft geplaudert. Ob Kalypso tatsächlich gewußt hatte, wo sich ihre Geschwister aufhielten, oder ob die Auskünfte des Eunuchen hierzu nötig waren, wollte Aurelius nicht wissen; jedenfalls konnte er aus einer abgeschiedenen, mehrfach gesicherten und von einigen Hundertschaften erbittert verteidigten Tempelanlage - deren Oberpriester
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