Cäsar
weiß nicht. Ich habe ihm einen Eid geschworen. Solange er mich nicht entläßt…«
»Bei mir ist es ähnlich.« Aurelius verzog das Gesicht. »Ich könnte gehen; wir haben das so vereinbart. Aber ich kann die anderen nicht verlassen, solange sie noch in Gefahr sind. Und«
- er lachte - »er schuldet mir Sold; wovon soll ich leben?«
»Und du, Schönste der Anwesenden?«
Kalypso rümpfte die Nase. »Das heißt nicht viel. Ich? Zurück nach Rom. Wenn nicht…« Sie brach ab und blickte Aurelius an.
»Wenn nicht?« sagte Aristeias.
»Es könnte sein, daß ich gedrängt werde, meine Geschäfte in Rom aufzugeben«, sagte sie langsam. »Es könnte aber auch sein, daß Kleopatra einen Weg findet, mich zur Fortsetzung zu zwingen.«
»Ein Jammer. Nein, dreifacher Jammer.« Der Händler breitete die Arme aus. »Ich genieße dies karge Essen und die Gespräche mit euch. Gern lüde ich euch alle als Gäste zu mir ein. Nicht hier, sondern in Tanais. Wollt ihr nicht mitkommen?«
Orgetorix drehte sich halb um und grinste den Skythen an, der mit verschränkten Armen in der Tür lehnte und das Grinsen erwiderte. »Tanais? Da gibt es Ungeheuer wie den da. Blond, langmähnig, mit Schnauzbart. Widerlich.« Er zwirbelte sein Lippengestrüpp.
»Ein Ort, an dem keine Senatoren und keine Legionen sind?« Kalypso schüttelte den Kopf. »Klingt zu schön. Und zu weit weg.«
»Willst du denn heimreisen?« sagte Aurelius.
Aristeias nickte heftig. »Sobald es geht. Ich war lange genug fort. Und wenn eure Verstärkungen endlich kommen, ist das Meer vielleicht einigermaßen sicher.«
»Denk an die Jahreszeit. Nicht die beste Zeit zum Reisen; der Winter kommt bald.«
»Nach eurem Kalender vielleicht, aber nicht in der Wirklichkeit. Die Tagundnachtgleiche des Herbstes ist gerade erst vorbei, und trotzdem beginnt für Rom bald der Dezember. Warum ist das so? Könnt ihr nicht besser rechnen?«
»Keine Ahnung. Weißt du das?« Aurelius blickte Kalypso an.
Sie wiegte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher. Die Bahnen von Sonne und Mond werden von den Priestern berechnet. Rom hat einen alten Mondkalender, bei dem zusätzliche Tage am Jahresende angehängt werden, um ihn der Sonnenzeit wieder anzugleichen. Damit die Feste, der Beginn des Landbaus nach dem Winter und derlei wieder stimmen.«
Aristeias kratzte sich den Hinterkopf. »Ja, das mag so sein Aber inzwischen weicht euer Kalender um die sechzig Tage ab. Noch einmal - warum?«
Aurelius lachte. »Ich weiß es auch nicht, aber könnte es sein, daß in Rom etwas fehlt?«
»Ihr habt sechzig Tage zuwenig; meinst du das?«
»Nein. Wir hängen doch sehr an Symbolen und Zeremonien. Den Magistraten müssen Liktoren mit ihren Bündeln vorangehen, obwohl sicher niemand mehr Angst vor Ruten hat, in denen ein Beil steckt. Amtshandlungen dürfen erst vollzogen werden, wenn bestimmte Dinge erledigt sind - Widderlebern, Vogelflug, was weiß ich. Dafür sind bestimmte Priester zuständig.«
Kalypso lächelte plötzlich und nickte. Orgetorix starrte an die Decke, die sich im Zwielicht verlor. Aristeias schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«
»Die Priester können sicherlich weiter den Kalender berechnen. Aber: Kann es sein, daß der eine Priester, der die Berechnung prüfen und die einzuschiebenden Tage verkünden darf, verhindert ist?«
»Ha«, sagte Aristeias.
Orgetorix setzte sich aufrecht und langte nach seinem Becher. »Ich verstehe das alles nicht«, knurrte er; »wen meinst du?«
»Den Obersten Priester, Hüter des Kalenders. Seit, ah, fünfzehn Jahren ist Caesar Pontifex Maximus, und seit zehn Jahren ist er nicht mehr zum Jahreswechsel in Rom gewesen. Kann es sein, daß nur der Pontifex Maximus das Ergebnis der Berechnungen verkünden und umsetzen darf? Und daß wir deshalb in der Wirklichkeit Herbst, laut Kalender aber Winter haben, weil unser Oberpriester sich seit Jahren in entlegenen Weltgegenden herumtreibt?«
Aristeias grinste. »Mag sein. Ein Trost bleibt mir aber.«
»Was denn?«
»Bei allem Herumtreiben - nach Tanais kommt er nicht.«
»Sei dir nicht so sicher.«
Nun hatte er noch etwas, das er in ruhigen Nächten begrübeln konnte. Caesar. Kündigen. Kalypso. ›Es könnte sein, daß ich gedrängt werde, meine Geschäfte in Rom aufzugeben.‹ Galt das ihm, und wenn ja, was war es - Drohung, Aufforderung, Verheißung? Wollte sie ihre Geschäfte einstellen und mit ihm leben? Wo, wovon? Wollte sie ihn warnen, kein Ende des »Teilens«
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