Cäsars Druide
Gruppen wurden neu zusammengestellt und gleichmäßig mit einigen Reitern, die Vercingetorix begleitet hatten, verstärkt. Und das Treten, Zerren und Schlagen ging von neuem los.
»Druide«, sagte Vercingetorix, »genießt Cäsar wirklich den Schutz der Götter?«
»Was gestern war, kann morgen anders sein. Auch Götter ändern ihre Meinung. Cäsar fordert sie heraus. Cäsar kennt keine Grenzen, keine Mäßigung. Um zu gewinnen, nimmt er jedesmal den Tod in Kauf. Als Auxiliarreiter in Cäsars Diensten wirst du das schon oft genug erlebt haben.«
»Ich bin nicht mehr in Cäsars Armee«, unterbrach mich Vercingetorix unwirsch. »Er verspricht jedem adligen Kelten die Königswürde, um sich seines Wohlverhaltens zu versichern. Aber er macht uns nicht zu Königen, sondern zu Narren. Er spielt uns gegeneinander aus. Gemeinsam könnten wir Cäsar wie eine Laus zwischen den Fingern zerquetschen. Cäsars Legionen sind uns zahlenmäßig weit unterlegen, er kämpft auf fremdem Boden, er kennt unsere Schluchten und Wälder nicht, er ist ein Spieler und Hochstapler.«
»Aber seine Erfolge sprechen eine andere Sprache«, entgegnete ich vorsichtig.
»Er kämpft mit Kelten gegen Kelten. Er hat die Helvetier mit Glück besiegt. Jetzt kämpfen helvetische Reiter an seiner Seite. Er hat die germanischen Sueben mit Glück besiegt. Jetzt kämpfen germanische Reiter an seiner Seite.«
»Und häduerische Reiter. Und belgische Reiter …«
»Ohne Reiterei wäre Cäsar hier verloren. Die Kelten müssen sich zusammenschließen. Gemeinsam sind wir stark und unbesiegbar. Wir werden diesen hochnäsigen Wurm in seine Provinz zurücktreiben. Ich kenne seine Taktik und seine Listen, ich weiß, wie er denkt und rechnet.«
»Du hast recht, Vercingetorix, aber die Feindschaft unter den keltischen Stämmen ist älter als die Bekanntschaft mit Rom. Die Kelten wollen sich nicht vom römischen Joch befreien, sondern gemeinsam mit Rom ihre Nachbarn zu Klientenstaaten machen!«
»Das muß aufhören«, forderte Vercingetorix, »wir müssen von den Römern lernen und alle unsere Krieger unter einem Kommando vereinen.«
»Das ist unmöglich! Wer soll diese Streitmacht führen? Ein Häduer? Das werden die Arverner und Sequaner nicht wollen. Ein Sequaner? Das dulden die Häduer auf keinen Fall. Wenn du das vorschlägst, werden sich alle Kelten so lange die Köpfe einschlagen, bis nur noch einer übrigbleibt. Ein Feldherr ohne Heer.«
»Druide«, beschwor mich Vercingetorix, »du hast selber gesagt, daß das, was gestern war, morgen anders sein kann! Wir müssen Geiseln stellen und Tribute zahlen. Wir müssen den römischen Wolf Jahr für Jahr füttern. Wer weiß, ob nicht die Götter uns dieses Geschwür geschickt haben, damit wir uns endlich vereinen, zu einem einzigen Volk von Kelten!«
»Ich fürchte«, sagte ich langsam, die Rede von Vercingetorix sorgfältig abschätzend, »das Problem sind nicht die Krieger, sondern die Adligen. Ihnen geht es um die Macht, um ihre Klientenstämme, um ihre Steuer- und Zollhoheit. Wenn Cäsar ihnen diese Privilegien garantiert, gibt es für sie keinen Grund, gegen Cäsar vorzugehen. Schau doch mal Diviciatus an. Sein Bruder Dumnorix hatte alles an sich gerissen. Diviciatus war unbedeutender als ein Sandkorn in der Wüste. Mit Cäsars Hilfe, und nur mit Cäsars Hilfe, ist Diviciatus wieder groß und mächtig und vermögend geworden. Glaubst du wirklich, daß einer wie Diviciatus auf all das wieder verzichten würde? Wofür? Was kriegt er dafür?«
»Ein freies und stolzes Gallien«, flüsterte Vercingetorix wie zu sich selbst.
Ich weiß nicht, was ich von diesem Gespräch halten soll. War Vercingetorix enttäuscht von Cäsar, weil er immer noch nicht König der Arverner war? Ich wollte ihm nichts unterstellen. Vielleicht hatte er tatsächlich eine Vision. Die Vision von einem freien und stolzen Gallien. Die Vision einer großen keltischen Nation. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
»Was sagen denn die Arverner dazu?«
»Sie haben mich aus unserem Stammesgebiet vertrieben. Aber ich gelobe bei den Göttern, daß ich eines Tages mit meinen Getreuen zurückkehren werde! Ich werde meinen Onkel erschlagen und mich zum König der Arverner ausrufen lassen. Und dann, Druide, dann werde ich Gallien erobern, mit Worten oder mit Waffen, und ich werde es erobern, um Cäsar zu vernichten.«
Na ja, im Redenhalten sind wir sicher unschlagbar. Aber was war dagegen einzuwenden? Träumte nicht auch ich von meinem großen
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