Cafe con Leche
Chrissis Füße sehend, das Klacken ihrer Wanderstöcke hörend, die immerzu
rhythmisch den Takt in meinem Ohr schlagen. Nicht denken, nur laufen! Dann
stehen wir am Eingangsschild von Pamplona. Ich lehne mich dagegen, denn ich
weiß nicht, ob ich noch Füße habe. Mein Gott, wer hätte das gedacht! Wir sind
an die fünfunddreißig Kilometer gelaufen!
„Na,
Mama, hab ich’s dir nicht gesagt! Wir schaffen das heute bis Pamplona!”
Christine
ist stolz und ich bin stolz auf Chris und stolz auf mich. Pamplona hat zwei
Pilgerinnen mehr!
Ich
klopfe ihr auf die Schulter. „Gut, dass du mich so getrieben hast. Dass
brauchen wir morgen alles nicht mehr zu gehen. Hoffentlich gibt es für uns noch
zwei Betten in der Herberge. Nicht wieder draußen schlafen müssen!” Wir fragen
uns nach der Herberge durch und treffen dort den Herbergsvater in seinem Büro
an. Es ist zwar schon sechs Uhr abends, aber es gibt noch freie Betten in der
Albergue. So heißen die Herbergen in Spanien. Ich hole unsere Pilgerausweise
hervor und reiche sie dem Herbergsvater. Zur gleichen Zeit geht sein Telefon.
Er redet mehrere Minuten, steht dann auf und zeigt uns unsere Betten. Dann ist
er wieder verschwunden.
„Ich
mache gar nichts mehr”, sage ich zu Chris, hieve den Rucksack von meinem Rücken
und lasse mich aufs Bett fallen. „Die verschwitzten Sachen können wir morgen
waschen. Jetzt gehe ich erst einmal unter die Dusche, putze mir die Zähne und
schlafe nur noch. Du auch?”
„Ich
auch. Mir tun die Füße weh.”
„Zeig
mal”, sage ich und massiere sie.
Anschließend
geht’s unter die Dusche. So erfrischt holen wir die Brötchen von heute Morgen
aus dem Rucksack. Etwas Aufschnitt haben wir auch noch. Dann machen wir uns
Abendessen. Seit heute Morgen haben wir zwischendurch nur Kekse und Bananen
gegessen. Da schmeckt das Essen jetzt umso mehr.
Heute
schreibe ich nichts mehr. Dafür habe ich keine Nerven. Ich bin froh, wenn ich
schlafe. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich habe heute viel Schweiß gelassen!
Wir haben viel geschafft!
Gute
Nacht, du schöne Welt!
30. Juni 2008
Pamplona
— Zariquiegui
Es ist fünf Uhr am
Morgen, da ertönen mal wieder Wecker und Handys in allen Musikvariationen.
„Warum
stehen die eigentlich so früh auf?”, frage ich Chris. „Kann denn die Klingelei
nicht erst um sieben Uhr losgehen? Dann hätten wir immer noch bis acht Uhr
Zeit, die Herberge zu verlassen, damit sauber gemacht werden kann.”
Ein
reges Treiben setzt im Schlafraum ein. Es wird hurtig aus den Betten
gesprungen, geredet und gelacht. Ratsch, die Reißverschlüsse der Rucksäcke
werden auf- und zugezogen.
Mein
Gott, muss das denn schon so früh am Morgen sein? Wie auf einem Jahrmarkt!
Widerwillig
richte ich mich im Bett auf. Mit dem Schlafen ist es vorbei. Über mir auf dem
Hochbett sitzt Mirco, ein Italiener. Er springt aus dem Bett, nimmt seine
Zahnbürste und die Zahnpasta, (auf dem Camino bleibt nichts verborgen), und
geht zu den Duschen. Fertig mit der Morgentoilette kommt er wieder, nimmt
seinen Rucksack und sagt zu mir: „Dein Rucksack sieht ja ganz schön prall aus.
Willst du so viel Gepäck mit dir schleppen? Wie schwer ist der denn?”, fragt er
mich.
„An
die vierzehn Kilo”, erwidere ich.
„Viel
zu schwer!”, kommt prompt seine Antwort. „In Pamplona kannst du Gepäck aufgeben.
Da gibt es eine correos, die Post. Mit so einem schweren Rucksack kommst du
nicht in Santiago an. Überleg’s dir!”
„Was
sollen wir an der Post?”, höre ich Chris, die noch im Bett liegt.
„Erzähle
ich dir gleich”, antworte ich ihr.
Mirco
packt sich seinen Rucksack und wünscht mir einen schönen Buen camino.
„Alles
Gute”, sage ich zu ihm. „Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal. Buen camino.”
„Hast
du das mitgekriegt?”, frage ich Christine. „Er meint, wir sollten zur Post
gehen, um Sachen, die einfach zu viel sind, nach Hause zu schicken. Das schwere
Zelt brauchen wir doch hier bei dieser Hitze gar nicht mehr. Das wiegt ja schon
fast vier Kilogramm. Die Zeltplane reicht doch auch. Oder willst du noch
draußen übernachten?”
„Nein,
danke! Mir ist die Lust vergangen”, erwidert Chris. „Hast du eigentlich die
Pilgerausweise gestern Abend wieder eingesteckt?”
Ich
schaue im Rucksack nach; keine Pilgerausweise! „Die hab ich wohl gestern in der
Aufregung auf dem Tisch liegen lassen”, sage ich.
Wir
gehen zum Büro, aber die Tür ist verschlossen. Ein kleiner Holztisch
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