Cafe con Leche
steht
daneben. Unsere Pilgerausweise liegen darauf. Ich schaue in die Ausweise, aber
es ist kein Stempel drin! Wir suchen den Herbergsvater, doch der ist nirgends
zu finden! Das gestrige Telefonat hat ihn wohl durcheinander gebracht, sodass
er den Stempel in unseren Ausweisen vergessen hat. Wir sind traurig darüber,
nun keinen Stempel von Pamplona zu haben. Dass wir einen Stempel im Dom
erhalten können, wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Und so machen wir uns
auf den Weg zur Post. Unser Packet nach Deutschland wiegt siebeneinhalb
Kilogramm. Vielleicht reisen Männer aus Intuition schon mit wenig Gepäck, weil
sie häufig doch immer die gleichen Sachen anziehen. (Natürlich frisch
gewaschen). Wir Frauen denken da eher anders. Es könnte ja sein, dass wir
gerade das missen, was wir nicht dabei haben. Also wird das vorsorglich noch
mit eingepackt, obwohl ich festgestellt habe, dass auch ich meine
Lieblingskleidung habe, die ich häufig trage und anderes wochenlang im Schrank
hängt. Vielleicht können wir Frauen uns auch nur schlecht von etwas trennen und
nehmen deshalb so viel mit. So muss ich an mich und Christine denken. Dieses
Pilgern soll meinerseits eine Abnabelung von meiner Tochter sein. Ihr diese
Chance zu geben, ist nur allzu fair. Aber jetzt will ich erst einmal die
siebeneinhalb Kilogramm, die Christines und meine Sachen auf die Waage bringen,
los werden. Mein Portemonnaie wird um fünfundvierzig Euro leichter. Mein
Rucksack fast um vier Kilogramm. Zwei Hosen, zwei Paar Socken und weniger
Kleidungsstücke tun es auch. Wir müssen so und so jeden Tag unsere
verschwitzten Sachen waschen und meistens trage ich die gewaschenen Sachen am
nächsten Tag wieder. Über die Freude, weniger Gepäck tragen zu müssen, lade ich
Christine zu einer Cola ein.
„Una
Coca Cola y un Café con leche, por favor”, bestelle ich, stolz darauf, einen
spanischen Satz sprechen zu können.
Als
wir wieder aufbrechen, ist es fast Nachmittag. Der Camino ist gut
gekennzeichnet. Wir lassen Pamplona hinter uns und fünf Kilometer weiter sind
wir in Cizur Menor, das wie eine kleine Vorzeigestadt aussieht. Hier liegt noch
nicht einmal Staub auf der Straße. Alles ist klinisch sauber. Großmütter
spielen mit ihren Enkeln auf dem Spielplatz. Es wird gelacht.
„Hier
möchte ich wohnen”, sagt Chris. „Wie in einer schönen, heilen Welt. Friede,
Freude, Heiterkeit.”
Erstaunt
bleibe ich stehen, denn in diesem kleinen Ort ist noch nicht einmal ein
Geschäft zu finden.
„Auch
in einer schönen, heilen Welt grummelt es mal”, gebe ich zurück. Warum auch
immer mir gerade das einfällt, ich weiß es nicht.
Die
Sonne heizt weiter ganz schön ein. Es geht noch nicht einmal steil bergauf, da
spüre ich schon wieder meine Beine. Wald und Felder säumen den Weg. Wenn mal
eine Prise Wind aufkommt, bläst uns diese den Staub vom Feld her ins Gesicht.
Ich kann ihn schmecken.
„Wir
können ja nach einem Schlafplatz Ausschau halten und unter der Zeltplane
schlafen”, rufe ich Chris, die vor mir läuft, zu.
„Mit
dem Schlafen wird das aber hier wohl nichts werden”, ruft Chris zurück.
„Und
warum?”, will ich wissen.
Doch
die Antwort liegt im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft. Wir sind in einen
Schwarm von Mücken und Fliegen hinein geraten. So viele habe ich selbst auf
unserem Misthaufen daheim nicht gesehen. Ich halte mir mit der Hand den Mund zu
und atme schwer durch die Nase. Bloß nicht den Mund aufmachen! Keine
zusätzlichen Proteine! Wütend fuchtel ich mit den Händen die Fliegen aus meinem
Gesicht und schlage mich dabei fast k.o., als ich mit voller Wucht meine Nase
treffe.
Aua!
Das hat gesessen! Mistviecher! Diese Kreaturen haben den Pilgerpfad eingenommen
und belagern uns förmlich! Jeder Schritt ist ein Schritt in Tausende von
Fliegen und Mücken. Ein Gesurre und Gebrumme! Die wollen doch wohl nicht auch
nach Santiago pilgern?! Ob solche Kreaturen damals auch schon im Paradies
herumgeflogen sind? Dann wären Adam und Eva aber sicherlich die Ersten, die die
Fliegenklatsche erfunden hätten.
Nach
circa einem Kilometer kommen wir an einem kleinen See vorbei. Aha, die
Brutstätte der Plagegeister! Christine biegt rechts in einen kleinen Feldweg
ein, um nach einer Schlafstätte für uns zu schauen. Ich sehe sie nicht mehr.
„Und?
Können wir da schlafen?”, rufe ich in die Büsche hinein.
Dann
höre ich ein lautes: „Iii! Pfui!”
„Was
ist los?”, will ich wissen.
„Bah!
Hier ist nur ein Pilgerklo. Das
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