Cafe con Leche
ich rauche noch eine Zigarette. Da stupst
Chris mich an.
„Mama,
guck doch mal. Da läuft jemand, der mir bekannt vorkommt.”
„Wo?”,
frage ich und schaue auf.
Ein
Pilger, schnellen Schrittes, saust des Weges daher. Irgendwie kommt auch er mir
bekannt vor. Ich weiß nur nicht, woher.
„Hola”,
rufe ich schnell, bevor er im Geschwindigkeitsrausch von dannen sein könnte.
Er
bleibt stehen und dreht sich zu uns um. Seine Haare hängen wild in seinem
Gesicht. Vielleicht irgendein Schauspieler? In einem Kauderwelsch von Englisch
frage ich, ob er Schauspieler sei. Seine Antwort kommt so schnell auf Englisch
zurück, dass ich nichts verstehe.
„Hast
du das verstanden, Chris?”
Da
sagt er auch schon: „Wir können uns auch auf Deutsch unterhalten.”
Dann
dämmert’s mir. Da war doch mal eine Show, mit drei Toren und einem Zonk. Genau!
„Jörg Draeger?” und ich treffe ins Schwarze.
Wow!
Er gesellt sich zu uns. Wir sind total fasziniert. Der Mann sieht nicht nur gut
aus, er ist zudem auch noch volksnah. Wir sprechen über seine Show; er übers
Pilgern. Dass es für ihn schon das zweite oder dritte Mal sei .
Schnell vergeht eine viertel Stunde und seine Eile holt ihn wieder ein. Mit einem
herzlichen „Buen camino” verabschieden wir uns und schon ist er im Sauseschritt
von dannen.
„Das
ist ja was”, sage ich immer noch verblüfft. „Da treffen wir Jörg Draeger!” Ich
kann es immer noch nicht fassen.
Nachdem
die Schuhe richtig sitzen und der Rucksack wieder auf unseren Schultern ist,
ziehen auch wir des Weges.
An
einem riesigen Kornfeld angekommen, teilt sich der Pfad. Irritiert bleiben wir
stehen. Kein gelber Pfeil, der uns die Richtung zeigt.
Links
oder geradeaus? Das ist hier die Frage!
Wir
gehen geradeaus, als uns ein älterer Herr, der zu unserer linken Seite an einer
Scheune steht, etwas zuruft.
Aha,
das scheint wohl nicht der richtige Weg zu sein. Wir gehen zurück.
„No
camino”, sagt er und lächelt uns fast zahnlos zu. Er winkt uns an sich vorbei;
der linke ist der Richtige. Wir bedanken uns und weiter geht es durch die
Felder. Jemand kommt hinter uns her gehastet. Ich drehe mich um und sehe Jörg
Draeger. Aber, der war doch eben noch vor uns!
Wir sind
auf dem richtigen Weg
Kaum das er neben uns
ist, sprudelt es auch schon aus ihm hervor. „Ich sah immer nur euren Hut übers
Kornfeld hoch und runter wippen und dachte mir, einer von uns geht den falschen
Weg. Aber dann endete mein Weg im Gebüsch. Das war’s. Also, wieder zurück”,
keucht er und geht hastend an uns vorbei.
Mein
Gott, dieser Mann rennt, was das Zeug hält. Als sei der Leibhaftige hinter ihm
her!
Miss
Gnadenlos scheint kräftig und wir ziehen gemächlich weiter. Es ist diesmal
nicht so steil.
Unterwegs
findet Chris ein schwarzrotgoldenes Kopftuch.
„Das
ist bestimmt von Jörg Draeger”, sagt sie. Der hatte doch noch ebenso ein Tuch
um seinen Kopf gebunden. Mein Gott, der rennt so schnell, dass er noch nicht
einmal merkt, wenn er etwas verliert.” Chris nimmt das Tuch mit. „Vielleicht
sehen wir ihn noch irgendwo.”
„So
wie der rennt, haben wir keine Chance”, erwidere ich.
Kurze
Zeit später sehen wir ihn, mit nacktem Oberkörper im Gras liegen. Er macht ein
Bräunungspäuschen.
„Hallo
Jörg”, ruft Chris ihm zu, sein Tuch wedelnd in ihrer Hand.
Ich
stimme ein und sage: „Das ist einen Kaffee wert!”
Er
lacht: „Da kommen ja die Sauerländerinnen. Vielen Dank fürs Stirnband. Das hab
ich schon vermisst. Ich lad euch zu einer Cola ein. Im nächsten Ort gibt es ein
nettes kleines Restaurant. Ich warte dort auf euch. Seit aber nicht so langsam,
sonst bin ich weg.” Er zieht sich wieder sein Hemd über und rennt, wie ein
junger Bursche, drauflos. Erstaunt über so viel Energie, schaue ich ihm
kopfschüttelnd nach, und bevor ich irgendetwas zu Chris sagen kann, höre ich
von ihr: „Tja Mama, du findest den doch so toll. Dann mach mal einen Schritt
schneller!”
Diese nette Sticheleien. Sie kann’s nicht lassen!
Ich
kann nicht mit Gewissheit sagen, ob ich nun schneller gelaufen bin. Jedenfalls
steht er, wartend auf uns, draußen vor einem kleinen Restaurant, als wir das
Dorf erreichen. Wir gehen zusammen hinein und drinnen ist es angenehm kühl.
Feldarbeiter und Einheimische sitzen am Tresen. Wir setzen uns an einem runden
Tisch und Jörg gibt in seinem perfektem Spanisch die Bestellung auf. Chris und
ich trinken eine Cola. Da ich als Frau von Natur aus neugierig bin,
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