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Cafe con Leche

Cafe con Leche

Titel: Cafe con Leche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agathe Hanses
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nachgeholfen hat.
Ansonsten fällt mir dazu nur Pilgerlatein ein. So habe ich bis jetzt viele
Pilger hechelnd daher sausen gesehen, die voller sportlichem Ehrgeiz ihre
Kilometer laufen und das am Abend auch noch lautstark verkünden. Drei
Marathonläufer habe ich schon getroffen. Wenn ich, mit meiner optisch,
sportlichen Figur gefragt werde, wie viel ich denn schon an diesem Tag gelaufen
sei, denke ich manchmal, bei meiner Antwort von zwanzig oder fünfundzwanzig
Kilometer, Minderwertigkeitsgefühle bekommen zu müssen. Tja, da werde ich in
meinem Schneckentempo wohl Tage hinterher hinken, um die anderen jemals wieder
zu sehen. Hinzu kommt dann noch die ach so all morgendliche Hektik in den
Schlafräumen. Heute früh bin ich so gegen halb fünf Uhr aufgewacht. Mir tat der
Rücken vom Liegen auf dem harten Küchenboden weh.
    Vom
Balkon konnte ich die Störche in ihren Nestern sehen. Logroño schläft noch,
denke ich. Die Stadt ist ruhig. Auf dem Kirchturm schlafen die Störche noch
fest in ihren Nestern, die Köpfe unter ihrem Gefieder. Keine Hektik! Kein:
Klapp, klapp! Kein: Los, los! Aufstehen! Nach Fröschen schauen! Die hüpfen
heute besonders gut! Marsch, Marsch! Auf zum Flügelschlag!
    Nichts
dergleichen! Selbst als um viertel vor fünf Uhr die Glocke schlug, regte sich
nichts im Nest.
    Ich
packte meinen Schafsack und schlich mich durch die Dunkelheit zurück ins Bett.
Geschnarcht wurde zwar immer noch, aber nicht mehr so arg, wie heute Nacht.
Chris schlief auch noch.
    Ich
fiel in den Morgenschlaf und träumte von Kometen, die leuchtend durchs
Universum streiften. Sie kamen auf mich zu, ihre Lichtschweife umkreisten mich,
tauchten wieder ins Universum ein, um wieder zurückzukehren. Ein Wechselspiel
der Kometen. Immer wieder huschten Lichtstrahle auf mich zu. Dann, ein heller
Komet! Er raste auf mich zu und verharrte plötzlich vor mir. Ich war ganz in
Licht eingetaucht, da wachte ich auf. Im Halbschlaf richtete ich mich auf. Die
Taschenlampe meines Bettnachbarn leuchtete mir frontal ins Gesicht. Ich war so
irritiert, dass ich erst einmal aus dem All, in die Realität, zurückfinden
musste. Da war kein Universum! Keine dahin ziehenden Kometen! Das war aber
wirklich schade! Überall sah ich Lichtkegel durch die Dunkelheit tänzeln. —
Aha, mein Universum!
    Es
raschelte und das Ratschen von Reißverschlüssen war zu hören. Hektisches
Treiben begann. Immer mehr Pilger packten emsig, hetzend ihre Sachen. Ich
schaute auf die Uhr. Gerade erst einmal zwanzig nach fünf Uhr. Ich war sauer,
drehte mich von einer Seite auf die andere. Meine Nachtruhe war dahin!
    Das
morgendliche Aufbrechen könnte wirklich andächtiger und stiller vonstatten
gehen! Diese blöde Hektik morgens! Rums, ich zog mir den Schlafsack über meinen
Kopf. Mein Morgenschlaf war dahin. Jakobus hatte seine Predigten sicherlich
auch nicht schnell rasend von Ort zu Ort gehalten, um dann ab im Sauseschritt,
die nächste Station zu erreichen. Das hätten seine Mitbrüder und Schreiber ihm
sicherlich verübelt. Die wären gar bei so viel Hektik in den Streik getreten!
    Pilgern!
Das ist doch kein Drauflos rennen! Wie soll denn meine Seele entspannen können,
wenn ich meinen Körper ständig auf Hochleistung bringe, brummte ich in meinem
Schafsackiglu in mich hinein.
    Pilgern hat doch etwas Melodisches an sich. Wie in Ruhe, Muße
und innerer Einkehr zu gehen. Hans-Jürgen, ein guter Freund, kommt mir in den
Sinn. Immer, wenn ich ihm zu hektisch werde, sagt er ganz gelassen: Gemach!
Gemach!
    Manchmal
habe ich mich darüber geärgert, weil ich mich dadurch so ausgebremst fühlte.
Aber für den Camino ist das ein schönes Wort. Ab heute kommt das in meinen
Rucksack.
    Gemach!
Gemach!
    Die
Zeit vergeht wie im Flug. Der dritte Café con leche
ist getrunken und ich will jetzt aufbrechen. Da kommt Christine herein und sagt
voller Stolz: „Mama, schau mal, ich hab tolle Fotos geschossen.”
    Leider
bin ich zum Leid meiner Tochter manchmal ganz schön albern und frage scherzhaft
zurück: „Wo hast du die denn geschossen? Wo hängen die denn? In der
Schießbude?”
    „Kannst
du denn nicht einmal vernünftig sein?”, fragt Chris verärgert.
    „Nicht
böse sein!”, sage ich ihr. „Die Fotos sind wirklich schön und du hast ein
Händchen fürs Fotografieren. Lass uns bezahlen und dann brechen wir auch auf.”
    Wir
packen unsere Sachen. Bis Nájera sind es noch gute zehn Kilometer. Draußen
schlägt uns die Hitze entgegen. Die Rucksäcke auf den Rücken, ziehen wir

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