Cafe con Leche
Herberge.
Den Platz, an der sie liegt, habe ich mir gemerkt. St. Martin. Die
eingeschlagene Richtung stimmt und trotz der vielen kleinen Gassen, die sich
von der Fußgängerzone aus verteilen, um sich dann nochmals zu verzweigen,
erreiche ich den Plaza Sankt Martin. Aber wo ist denn die Herberge? Ich gehe in
das nächste Gässchen. Richtig, das Geschäft dort habe ich auf dem Weg zum
Marktplatz auch gesehen. Ein paar Gassen weiter und ich stehe wieder auf dem
Platz Sankt Martin. Eine ältere Señora kommt mir entgegen. Mit Händen und Füßen
frage ich nach der Albergue Benediktiner-Kloster. Bei meinem Kauderwelsch
versteht sie natürlich kein Wort. Sie redet auf mich ein. Das Einzige, was ich
verstehe, ist ihr Achselzucken und no. Keine Herberge? Vor fast drei Stunden
war sie doch noch da! Ja! Ich bin mir sicher! Genau hier, wo ich stehe! Ein
stattlicher Herr kommt des Weges. Señora winkt ihn sofort herbei und wechselt
rasant und laut, wie das hier in Spanien so üblich ist, ein paar Worte mit ihm.
Das Einzige was ich nur dazu sagen kann, ist: Albergue, Benediktinerkloster.
Gehe ich doch davon aus, dass zumindest das Wort Benediktiner im Spanischen
auch so heißt. Der Señor hält inne und wendet sich mir zu.
„Albergue?”,
fragt er.
„Sí,
si!”, sage ich in der Hoffnung, einen guten Hirten gefunden zu haben, der mich
zur richtigen Herberge führt. Er gibt mir zu verstehen, mit ihm zu gehen und
als folgsames Schäfchen laufe ich ihm hinterher. Ich bedanke mich noch schnell
bei der Señora, dann höre ich den Herrn zu mir sagen: No Plaza Sankt Martin!
Plaza Sankt Maria!
Drei
Gassen weiter stehen wir vor der Herberge. Ich bin erleichtert. Da hab ich mal
wieder zu schnell gelesen. Piano, piano, sage ich zu mir und bedanke mich
mindestens dreimal bei dem Señor.
Am
Abend essen wir Nudeln und einen Salat, den Chris zubereitet. Dann setzen wir
uns noch in den Klosterhof. Dort treffen wir Claire aus Australien und Cathleen
aus französisch Kanada, die mit uns das Doppelbett
teilen. Claire hat sich eine Taschenlampe gekauft. Ihr fehlen jedoch die
Batterien. Wir gehen wieder zurück ins Schlafgemach. In meinem Rucksack finde
ich noch welche und schenke ihr zwei davon. Oh welch ein Jubel! Claire geht ein
Licht auf! Die Taschenlampe leuchtet inbrünstig! Gegen einundzwanzig Uhr
krabbeln wir in unsere Schlafsäcke. Trotz ihrer Siesta schläft Christine
schnell ein. Ich liege noch einige Zeit wach in meinem Bett und lasse meinen
Gedanken freien Lauf. Der Allmächtige da oben ist mit uns. Er wird schon seine
Hand schützend über uns halten. Wir haben das Glück, gegen eine kleine Spende
ein Lager zu haben. Und morgen gibt es noch ein Frühstück! Alles wird gut! Wir
kommen Santiago de Compostela jeden Tag ein Stück näher. Dann schlafe auch ich
ein.
12. Juli 2008
León
— San Martín del Camino
Chris weckt mich um
viertel nach fünf Uhr. Ich husche ins Bad. Heute gibt es nur eine Schnellwäsche
durchs Gesicht, dann die Zähne putzen, fertig! Ich koche einen Kaffee für uns.
Der Tisch ist schon gedeckt. Baguettes, Butter und Marmelade laden uns zum
Frühstück ein.
Mehrere
Pilger sind schon auf. Sie alle warten darauf, dass sich die Hoftür des
Klosters um sechs Uhr öffnet. Heute geht es nach Hospital de Órbigo.
Zweiunddreißig Kilometer sind zurückzulegen. Dann um sechs Uhr sind auch wir
draußen. Das hektische und geschäftige León, das wir gestern angetroffen haben,
schläft noch. Etwas ratlos stehen wir vor der Herberge, denn es gibt keine
Beschilderung. Die gelben Pfeile, die sonst überall gut zu sehen sind, fehlen. Eine Pilgerin aus Deutschland kommt aus der Herberge auf uns
zu und wir fragen sie nach dem Weg.
„Ja,
ja”, antwortet sie. „Wir können gemeinsam gehen. Ich kenne den Weg. Da bin ich
mir sicher!”
Na
denn, wenn sie sich sicher ist, dann wird das wohl so sein und so dackeln wir
vertrauensselig hinter ihr her. Es geht mit ihr kreuz und quer durch die
Gassen. Die gelben Pfeile sind immer noch nicht zu sehen.
„Meinst
du, dass wir hier richtig sind?”, frage ich sie.
„Ja,
ja. Kommt nur mit!”
Mir
wird die Sache allmählich doch etwas komisch, denn wir streben immer der
aufgehenden Sonne entgegen; also immer Richtung Osten. Santiago aber liegt im
Westen! Wir müssten eigentlich die Sonne im Nacken haben. Die deutsche Pilgerin ist sich immer noch sicher, den richtigen Weg zu gehen. Ich
nicht mehr! Gott sei Dank treffen wir ein paar Bauarbeiter
Weitere Kostenlose Bücher