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Cafe con Leche

Cafe con Leche

Titel: Cafe con Leche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agathe Hanses
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schlafen.
    „Chris,
aufstehen. Es ist Zeit!”, flüstere ich ihr zu und stoße sie leicht an. Das
Einzige, was ich von ihr höre, ist ein Brummen. Nachdem ich mich angezogen
habe, will ich mir in der Küche einen Kaffee kochen, doch ein Gitter im Flur
versperrt mir den Weg dorthin. So tapse ich zurück ins Schlafzimmer und hole
die Gaskartusche aus Christines Rucksack.
    „Ich
koche mir draußen schon mal einen Kaffee.”
    Chris
brummt mir irgendetwas zu, dass ich aber nicht verstehe. Die Tür nach draußen ist von innen, aber nicht von außen zu öffnen. Ich finde ein
Stück Holz und schiebe es dazwischen. Ganz schön kühl draußen. Dunkel ist es
auch noch. Ich friere, schlürfe meinen Kaffee und rauche eine Zigarette. Dann
ist es mir doch zu kalt und ich gehe zurück ins Schlafzimmer. Dort ist jetzt
das Licht an. Die Männer sind aufgestanden.
    „Chris!
Aufstehen!”, sage ich zu ihr.
    „Ach,
lass mich in Ruhe!”, höre ich nur.
    Das
kann ja heiter werden !, denke ich mir.
    „Hey!
Was ist denn jetzt los? Wir wollten doch früh raus.”
    „Du
kannst ja schon gehen.”
    „Chris!
Was ist los!?”
    „Mama,
nichts ist los. Ich will einfach nur einmal alleine gehen. Verstehst du das
nicht?”, kommt ziemlich gereizt zurück.
    „Das
kannst du auch in einem netteren Ton sagen”, erwidere ich nun auch gereizt.
    Nun
sind wir beide gestresst! Kleinigkeiten, Banalitäten. Ein Wort ergibt das
andere und wir haben Streit. Christine möchte ihren Pilgerausweis haben.
    „Ich
weiß gar nicht, warum wir jetzt Stress haben”, sage ich zu ihr.
    Keine
Antwort! Wortlos gebe ich ihr den Pilgerausweis.
    „Ich
denke, wie sehen uns heute in Astorga in der Herberge Santa María”, sage ich im
Hinausgehen; dann bin ich weg.
    Was
sollte das eigentlich ?, denke ich mir. Ich kann ja
verstehen, wenn sie auch mal alleine gehen will. Nun gehen wir auch schon
siebzehn Tage non Stopp zusammen. Da kann man auch
schon gestresst sein. Zuhause können wir uns aus dem Weg gehen. Hier nicht!
Aber da braucht sie mich doch nicht so anbrummen! Ich bin sauer! Dann soll sie
halt alleine marschieren!
    Über
die Landstraße geht es für mich weiter. Mir ist nicht nach dem Camino und
alleingehen zumute! Heute bin ich on the road, entschließe ich mich. Das ist
für mich auch Pilgern, zumal der Camino immer wieder die Landstraße kreuzt.
Meine Gedanken beginnen wieder zu rattern. Das geht fast ständig so. Morgens,
wenn ich aufstehe, verselbständigen sich meine Gedanken. Sie hören erst auf zu
rattern, wenn ich abends einschlafe. Hier denke ich teilweise schon auf
Englisch, führe in Gedanken Dialoge mit anderen Pilgern oder mit meiner Tochter.
Wenn ich sie spontan mal frage, was sie gerade denkt, schaut sie mich erstaunt
an und oft höre ich die Antwort: nichts Mama. Für mich unvorstellbar, nicht zu
denken. Wo ist da eigentlich bei mir der Umschalthebel? Ratter, ratter, ratter!
Beim ersten Gedanken würde ich ihn gerne einmal auf „aus“ stellen, um endlich
mal von meinen Gedanken befreit zu sein. Ich denke selten an nichts. Fast immer
bin ich in meinem Gedankenkarussell verstrickt. Es ist anstrengend, immer zu
denken! So bin ich gedanklich bei unserem Streit von heute Morgen. Wie ein
bockiges Kind hat Christine in ihrem Bett gesessen. Wenn sie so stinkig ist,
geht gar nichts mehr. Oft gehe ich Streitigkeiten aus dem Weg, obwohl das
sicherlich nicht immer richtig ist. Stinkig, über ihr Verhalten, laufe ich in
Gedanken versunken weiter. In Logroño ist sie einfach los gegangen und hat mich
alleine gelassen. Heute gehe ich alleine! Anderseits bin ich immer mehr der
Überzeugung, dass ich mich wohl von meiner Tochter abnabeln muss und nicht sie
von mir. Sie ist schon immer ein sehr selbstständiger Mensch gewesen und sie
weiß, was sie will. Sie kann auch gut damit leben, mir die Grenzen zu weisen.
Nicht, dass sie pampig wird oder mich beleidigt. Nein, sie lässt sich dann
einfach nicht mehr auf ein Thema ein. Diskutieren, ich habe es ja gerade wieder
festgestellt, will sie dann einfach nicht. Sie kann ja ihren Weg gehen! Das
soll sie auch! Aber das gemeinsam zu besprechen, tut uns beiden und unserer
Beziehung gut. Wenn sich die Wogen geglättet haben, werde ich ihr das heute in
Astorga sagen. — So in meinen Gedanken erreiche ich Hospital de Órbigo
eineinhalb Stunden später. Am Ortseingang steuere ich eine große Tankstelle mit
einem Restaurant und einem Café an, das schon für die Trucker geöffnet hat. Das
gönne ich mir

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