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Cafe con Leche

Cafe con Leche

Titel: Cafe con Leche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agathe Hanses
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mag?
Vielleicht verweile ich einfach hier länger und treffe sie dann ganz zufällig
am Wegesrand. Ich denke an ihre Füße, die ihr gestern noch weh taten, und
hoffe, dass sie gut bis Astorga durchhält. Vielleicht kommt Christine ja des
Weges daher. Vielleicht! Ich hoffe es! Doch nach einer halben Stunde breche ich
wieder alleine auf.
    Nun
sehe ich auch wieder andere Pilger. Es wird hügeliger und ringsherum sind die
hohen Berge zu sehen. Alpenpanorama nenne ich es, denn so sieht es auf den
Postkarten vom Allgäu auch aus. Störche, die zuhauf in der Region von Burgos zu
sehen waren, jedoch die heiße Meseta bis hinter León mieden, sind wieder da.
Auf fast jedem Mast oder jeder Kirchturmruine, sind riesige Storchennester zu sehen.
Manchmal sogar mehrere auf einem Turm. Ein Storch sitzt immer in seinem Nest
und brütet oder wartet auf seinen Partner. Und wenn der dann im Anflug ist, ist
die Freude groß. Dann ist ein Geklapper zu hören, das
den ganzen Ort unterhält. Störche sind, im Gegensatz zu vielen Menschen, treue
Wesen. Haben sie einen Partner gefunden, so verbringen sie ihr ganzes Leben mit
ihm. Da i st Verlass auf seinem Partner. Da ist nichts mit Fremdgehen! Schön,
dass es hier so viele Störche gibt.
    In
dieser Region ist wohl wieder viel Wasser vorhanden, obwohl der Boden sehr
ausgetrocknet aussieht. Viele tiefe Risse sind zu sehen. Aber überall sind
breite und tiefe Wasserkanäle, die sich längs der Felder ziehen. An den
Kanalwänden sind in kurzen Abständen Schiebetürchen, die hochgezogen werden
können, um das Feld mit Wasser zu versorgen. Ein Bauer fährt mit seinem
knatternden Moped an den Kanal. Sein Trecker steht dort am Feldesrand mit
laufendem Motor. An der Zapfwelle ist eine Vorrichtung angebracht, die das
Wasser in den meterlangen dicken Schlauch pumpt, wodurch die Sprinkleranlage in
Betrieb gesetzt wird, um das Feld zu bewässern. Der Bauer wirft einen Blick auf
seinen Trecker und alles scheint wohl in Ordnung zu sein. Danach knattert er
mit seinem Moped wieder Richtung Hof. Er muss schon großes Vertrauen in seine
Umwelt haben, denn der Treckermotor läuft seelenruhig alleine vor sich hin
tuckernd weiter. Wer sollte auch schon hier einen Trecker klauen?! Wenn er das
nächste Mal wieder nach seinem Trecker schaut, hat er bestimmt einen Kanister
Diesel dabei, denn ein Trecker hat ja schließlich auch Durst.
    Große
Runkelfelder sind auch zu sehen. Ich muss an meine Kindheit denken und an all
die Zuckerrüben, die wir vom Feld gegessen haben. Einfach im Gras sauber
gemacht und dann hinein gebissen. Knack, zuckersüß!
    Als
ich San Justo de la Vega erreiche, schlägt die Kirchenglocke gerade zwölf Uhr
und bimmelt lustig drauf los. Der Kirchturm, der wie die meisten Kirchtürme in
den kleinen Orten wie im Wilden Westen aussieht, beherbergt drei riesengroße
Storchennester. Ich bin ganz angetan davon. Schade, dass es bei uns so selten
Storchennester gibt!
    Hinter
der letzten Biegung von San Justo sehe ich Astorga in weiter Ferne auf einer
Anhöhe liegen. Die Kathedrale ragt stolz in den Himmel empor. Hopfenfelder tun
sich auf. Aha! Erst die großen Gerstenfelder in der Meseta, jetzt kommt der Hopfen. Da fehlt ja nur noch Malz und das Bier ist
fertig. Na, dann mal Prost!
    Durch
einen Industrievorort komme ich der Stadt näher. Eine riesenlange Fabrikmauer
spendet Schatten. Das tut gut. Aber dann werde ich von einer Duftwolke
eingehüllt, die kaum zu ertragen ist. Ich mag nicht mehr atmen. Als hätten alle
Pilger hier des Weges zwangsläufig länger verweilen müssen. Der Geruch ist so
penetrant, dass ich die Luft anhalte und eilenden Schrittes die Duftnote hinter
mir lasse. Pecunia non olet, fällt mir dazu ein. Dieser Satz, Geld stinkt
nicht, ist von den Römern geprägt worden, als diese auf den Latrinen ihre
Geldgeschäfte abwickelten. Gestunken hat’s! Geld habe ich aber nicht gefunden!
     
    Die Straße zur
Kathedrale windet sich steil nach oben.
    Ich
bin mir nicht mehr sicher, auf dem richtigen Weg zu sein und frage eine ältere
Señora, die mir entgegen kommt. Sí, si !, sagt sie
freundlich zu mir. So arbeite ich mich mühsam den steilen Anstieg hoch und
hoffe innigst, Christine zu finden!
    Habe
ich ihr heute Morgen die Herberge Santa María genannt? Ich komme ins Grübeln.
Habe ich oder habe ich nicht? Hoffentlich gibt es diese Albergue hier auch!
Nicht, dass ich mal wieder in meiner Hektik etwas anderes gelesen habe. Dann
stehe ich aber mit meiner Weisheit allein auf weiter Flur.

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