Cafe con Leche
Unsere
Rucksäcke sind für morgen gepackt. Chris und ich haben uns wieder vertragen, es
ist doch noch alles gut geworden!
Danke,
lieber Gott! Gute Nacht, du schöne Welt!
Es
dauert keine fünf Minuten, da bin ich schon eingeschlafen.
14. Juli 2008
Astorga
— Rabanal — Foncebadón
Wir schaffen es, um
viertel nach fünf Uhr aus den Federn zu kommen. Das frühe Aufstehen fällt uns
nun leichter. Chris ist heute schneller als ich und bereitet das Frühstück zu.
Als ich in die Küche komme, steht für mich schon eine heiße Tasse Kaffee auf
dem Tisch. Es gibt Baguettes, belegt mit Käse und Tomaten.
„Mmh,
Chris! Das schmeckt richtig lecker. Vielen Dank für die Tasse Kaffee! Geht es
heute nach Rabanal?”
„Klar!”,
sagt Chris. „Weißt du Mama, ich würde heute gerne noch einmal alleine gehen.”
Wow,
meine Tochter will nicht einfach so abhauen! Sie ist auf eine Ebene angekommen,
wo Kommunikation doch wohl ganz gut tut. Da hat der gestrige Tag ja wohl Klick
bei ihr gemacht!
„Wenn
du meinst”, sage ich zu ihr, „dann mach das. Wir treffen uns dann in Rabanal.
Da werden wir uns schon finden! So groß ist der Ort sicherlich nicht.”
„Auf
der Karte sieht Rabanal eher wie ein Örtchen aus. Der Camino geht direkt
dadurch. Da werden wir uns bestimmt finden. Gestern habe ich erfahren, dass es
dort am Camino einen Lebensmittelladen gibt. Da warte ich dann auf dich!”
„Das
ist eine gute Idee”, erwidere ich. Vielleicht gibt es ja auch draußen eine
Bank, auf die du Rast machen kannst. Du wirst ja eh eher dort sein als ich.
Dann mal los!”
Wir
hieven unsere Rucksäcke auf den Rücken und verlassen leise die Küche. An der
Tür liegt auf einem der Tische ein herrenloser Pilgerausweis. Ich nehme ihn an
mich.
„Guck
mal, was ich gefunden habe”, sage ich zu Chris und studiere den Ausweis. „Hier
hat jemand seinen Pilgerausweis liegen gelassen. Kennst du vielleicht einen
Miguel? So heißt der Bursche, dem der Ausweis gehört.”
Chris
kennt keinen Miguel und als wir um sechs Uhr die Herberge verlassen, legen wir
für jeden gut sichtbar den Pilgerausweis am Türeingang auf den Tisch.
„Hoffentlich
findet dieser Miguel seinen Ausweis”, sage ich zu Chris. „Es wäre doch schade
um die vielen Stempel.”
Als
wir die Türe öffnen, schlägt uns die Kälte entgegen. Am Himmel sind noch ein
paar Sterne zu sehen. Zum Abschied umarmen wir uns und Chris zieht ihres Weges.
Mich fröstelt, doch ich habe jetzt keine Lust, den Rucksack wieder
abzuschultern, um meine Jacke heraus zu holen. Mein langärmeliges Hemd muss
reichen. Erst eine Zigarette, dann setze auch ich mich langsam in Bewegung.
Der
Weg zur Stadt hinaus ist gut beschildert und die gelben Pfeile begleiten mich
wieder. Kurz hinter Astorga treffe ich den Vater von Pascal. Sie sind Franzosen
und auch auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Seit drei Tagen begegnen wir
uns immer wieder auf dem Camino. Dann grüßen wir uns freundlich zu, wünschen
uns einen buen camino und jeder geht in seinem Rhythmus weiter. In San Martin
del Camino haben wir gemeinsam beim Abendessen an einem Tisch gesessen. So sind
wir ins Gespräch gekommen. Pascal ist ungefähr achtunddreißig Jahre alt und
spricht gut Englisch. Der Vater wohl so um die sechzig Jahre, aber die
englische Sprache ist ihm fremd. So laufe ich heute Morgen ein Stück des Weges
neben ihm her. Das Einzige, was ich bisher gesagt habe, war buen camino, denn
ich bin der französischen Sprache nicht mächtig. Aber die Neugierde plagt mich
mal wieder. Wo ist denn nur sein Sohn geblieben? Der Vater dreht sich des
Öfteren um, aber Pascal ist nirgends zu sehen. Brauchen Vater und Sohn heute
auch mal Abstand voneinander, so wie Chris und ich? Das Gespräch beginnend,
frage ich mit den Händen gestikulierend, wo denn sein Sohn sei. Nach einigen
Ansätzen versteht er, was ich meine. Ah, der Vater hat seinen Sohn verloren! Da
kann ich ja, bis der Sohn gefunden ist, als Tochterersatz dienen! So laufe ich
mal schwatzend, mal schweigend neben ihm her. Wir erreichen das Örtchen Murias
de Rechivaldo. Irgendwie verspüre ich wieder Hunger und kehre in ein winzig
kleines Lokal ein. Der Papa möchte nicht mit hinein. Er wartet draußen auf dem
Camino, in der Hoffnung, den verloren gegangenen Sohn doch noch zu finden. Das
kann ich gut verstehen! Hat mich doch bis jetzt schon zweimal auf dem Camino
die Angst übermannt, meine Tochter verloren zu haben. In der kleinen Bar
bestelle ich mir ein großes
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