Cafe con Leche
Fußblase geschafft. Aber hier, bei diesem Gestrauchel und Getorkel,
werde ich mir bestimmt die erste Blase holen. Nicht nur, dass der Weg fast
unbegehbar ist. Nein, er wird stetig steiler! Oh Gott, was habe ich mir da nur
angetan? Kein Baum, kein Strauch! Einfach nichts, was Schatten spenden könnte.
Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge Schlangen und Skorpione unter den
dicken Steinen hervor kommen, die mich beißen wollen, weil ich ihre Ruhe durch
meine Schritte störe.
Nur
ganz langsam komme ich voran und muss öfters stehen bleiben. Das ist mir
unangenehm, denn ich halte die Gruppe auf.
„Geht
ihr einfach schon weiter”, ermuntere ich die anderen, ihren Rhythmus
beizuhalten. „Ich kann nicht so schnell. Wir treffen uns ja in Foncebadón.”
Sie
marschieren weiter und irgendwann sehe ich nur noch zwischen den Hügeln
Christines Hut, der auf und ab wippt. Dann entschwinden sie und ich bin alleine
mit meinem keuchendem Atem, dem schweren Rucksack und el sol, die die
Temperatur mindestens auf fünfundvierzig Grad hochgefahren hat. Step by step,
Schritt für Schritt gehe ich keuchend durch diese wüstenähnliche Landschaft.
Ich bin allein auf weiter Flur. Kein anderer Pilger ist zu sehen. Ein großes
Steinbecken mit fließendem Quellwasser taucht wie eine Fata Morgana in der Ferne vor mir auf. Wasser! Wunderbar! Ich schaffe es, ein wenig
schneller zu werden. Als ich das Becken erreiche, steht daneben ein Schild,
worauf das Trinkwasserzeichen durchgestrichen ist. Ich bin frustriert! Der
Rucksack fällt und meine Arme tauchen in das eiskalte Wasser ein. Gerne würde
ich mir auch das Gesicht waschen. Doch das lasse ich lieber. Ich möchte nicht
krank werden. Oben am Hang sehe ich eine Straße. Das schaffst du! Bis dahin
kommst du !, versuche ich mich anzutreiben. Aber
irgendetwas in mir will nicht weiter! Ich bin total erschöpft von der Hitze und
der Unwegsamkeit des Weges. Ich will einfach nur neben dem Wasserbecken sitzen
bleiben. Nichts, aber auch gar nichts, treibt mich momentan an, weiter zu
gehen. Mücken umschwirren mich und verärgert fuchtel ich mit den Händen durch
die Luft. Eine überdimensionale große Pferdebremse setzt sich auf meine Wade
nieder. Dann eine Zweite und schlagartig ist es mit meiner Rast vorbei. Blöde
Mistvieher! Ihr sollt euch nicht an meinem Blut laben! Mit der flachen Hand
schlage ich mir auf die Wade, was ich besser nicht getan hätte. Der Stich
schmerzt. Damit ich Linderung erfahre und der Stich nicht anschwillt, gebe ich
Spucke auf die Stelle. Der Speichel kühlt und nimmt die Schwellung. Das mache
ich immer, wenn eine Mücke sich an mir labt. Dann hieve ich den Rucksack hoch
und schon geht es weiter. Ich stöhne, stolpere, strauchel und trete fast gegen
jeden großen Stein, der auf dem Weg liegt, was meine Zehen schmerzen lässt.
Bitte, keine Skorpione! Bitte, keine Schlangen! Weiter! Geh weiter !, sage ich mir. Vielleicht noch zwanzig Meter das letzte
Stück hoch, dann ist die Straße sicherlich erreicht! Fünf Meter, ich muss
stehen bleiben! Wieder fünf Meter, wieder stehen! Am Wegesrand steht eine
Stange auf der rechten Seite und ich halte mich daran fest. Warum sie dort
steht, weiß ich nicht. Vielleicht extra für mich! Es geht nichts mehr! Ich kann
nicht mehr! Drei Schritte, ich bleibe wieder stehen. Der Schweiß rinnt von all
meinen Körperteilen und ich verharre keuchend vorn übergebeugt, die Hände auf
die Knie gestützt.
„Komm,
Mama! Die letzten Meter schaffst du auch noch!”, höre ich Chris von oben rufen.
Ein
Ruck geht durch Deutschland !, höre ich die Worte Roman
Herzogs in meinem Kopf klingen. Ein Ruck geht durch mich, sage ich mir und
setze wieder Bein vor Bein. Nur noch ein paar Meter!
Christine
kommt mir die letzten Meter mit einer Flasche Wasser in der Hand entgegen.
„Trink
einen Schluck!”, fordert sie mich auf. „Du hast einen hochroten Kopf. Komm, wir
sind gleich oben.”
Dennis
kommt mit einem Stock zu mir. Mit letzter Kraft, hängend am Stock, schaffe ich
es bis zur Straße. Endlich etwas Schatten und ein leichter Wind geht auch! Der Rucksack fällt von meinem Rücken, ich falle
hinterher und liege im wahrsten Sinne des Wortes an der Leitplanke. Geschafft!
Endlich oben! Ein paar Minuten vergehen, bis es mir wieder besser geht. Ich
kann wieder sprechen und auch wieder richtig sehen! Was ich jedoch sehe, lässt
mich schaudern! Meine Augen trüben mich nicht! Wir sind noch gar nicht oben!
Hinter der Straße geht es weiter. Steil nach
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