Cafe con Leche
Croissant und eine Tasse Café con leche. Und dann,
so ist hier wohl alles Fügung, sehe ich zu meiner Freude Christine an der Bar
vorbei gehen. Ich springe auf und renne vor die Tür.
„Chriis!
Willst du auch ein Croissant essen?”
Erstaunt
dreht sie sich um. „Wieso bist du denn schon da?”, fragt sie ungläubig herüber,
dass ihre Mutter es irgendwie geschafft hat, schneller zu sein, als sie.
„Ich
habe den Vater von Pascal getroffen und wir sind gemeinsam bis hierhin
gelaufen. Er hat wohl Pascal verloren und wartet jetzt dahinten auf der Straße.
Aber, wo warst du? Ich habe dich unterwegs gar nicht gesehen. Du bist doch vor
mir los gegangen.”
„Am
Straßenrand, auf der linken Seite, war doch eine kleine Kapelle. Da habe ich
ein bisschen verweilt.”
„Ja,
dann ist ja alles klar. Deshalb habe ich dich nicht gesehen.”
Gemeinsam
nehmen wir ein zweites Frühstück zu uns. Und siehe da, so Gott will; plötzlich
kommt Pascal ins Lokal, bestellt zwei belegte Baguettes und auch Vater und Sohn
sind wieder glücklich vereint. So ist das auf dem Camino. Nichts und keiner
geht verloren! Alles findet sich wieder!
Chris
ist mit dem Frühstück fertig und geht weiter des Weges. Ich trinke mir noch
eine Tasse Kaffee. Die Morgenluft ist immer noch kalt. Alle Türen sind
sperrangelweit geöffnet. Meine Fingerkuppen kribbeln und sind etwas steif von
der Kälte. Beim Laufen und Schwatzen ist mir das nicht so aufgefallen. Nun hole
ich doch meine Jacke aus dem Rucksack und lege sie mir über die nackten Beine.
Plötzlich kommt Elina, die wir vor San Martino getroffen haben, in die gute
Stube. Ja, das ist vielleicht ein Hallo, als wir uns sehen! Elina ist eine
Deutschland liebende Französin. Sie übt sich in der deutschen Sprache. Wow! Auf
dem Camino habe ich bis jetzt nur Franzosen getroffen, die ihre Sprache zur
Weltsprache erkoren haben. Da ist nichts mit Englisch! Aber Elina spricht gut
Englisch und so quatschen und lachen wir zusammen.
„Wo
ist deine Tochter?”, fragt sie mich.
„Ach,
Chris wollte heute mal alleine gehen. Wir treffen uns dann in Rabanal.”
„Das
muss auch mal sein”, sagt Elina.
Wir
trinken unseren Kaffee und brechen dann auf. Buen camino, rufe ich noch Vater
und Sohn zu, dann sind Elina und ich draußen.
„Vielleicht
sehen wir uns noch einmal”, sage ich. Wir drücken uns und ich gehe los, denn Elina
läuft langsamer als ich. Unterwegs entfaltet die Sonne ihre Kraft. Endlich wird
es mir wärmer! Da schwitze ich lieber, als dass ich friere. Im nächsten Ort
will ich mir andere Sachen anziehen. Die kurze Jeans gegen meine luftige Shorts
und das langärmelige Hemd gegen ein T-Shirt austauschen. Der Weg ist gut zu
laufen. Fast eben! Ich komme gut voran und diesmal überhole ich sogar andere
Pilger. Aber ich glaube nicht, dass ich in meinem Schneckentempo schneller
geworden bin. Eher nehme ich an, dass die anderen vom schnellen Laufen müder
geworden sind. Nun spielt es wirklich keine Rolle, wer langsamer oder schneller
ist. Hauptsache ist doch, dass Christine und ich unser Ziel schaffen!
Das
Gehen fällt mir heute wirklich leicht und ich merke, dass mein Tempo nun doch
schneller wird. Will ich mich wohl mit Christine messen? Will ich doch nicht so
die Mutter mit dem Schneckentempo sein? Durch diesen Gedanken angespornt, will
ich ihr zeigen, dass ich auf ebener Strecke doch nicht so langsam bin.
Natürlich wird sie Rabanal eher erreichen als ich, doch damit kann ich gut
leben. So vom Ehrgeiz angetrieben, erreiche ich den nächsten Ort. Heute ist auf
dem Camino viel los. Die Cafés sind voller Pilger. Auf einer Toilette ziehe ich
mich dann um. Bloß nicht den Gürtel vergessen! Der leistet mir genauso gute
Dienste, wie der verloren gegangene. Ich setze mich nach draußen in den
Schatten und bestelle mir eine Cola. Mein Tagebuch vor mir liegend, versuche
ich zu schreiben, doch ich kann mich nicht so recht konzentrieren. Neben mir
sitzen Spanier, die in ihrer netten Art und Weise lautstark reden, dann wieder
Franzosen und Engländer. In der Ferne erblicke ich Elina. Sie kommt auf mich zu
und setzt sich zu mir an den Tisch. Mit dem Schreiben ist es nun endgültig
vorbei! Trotzdem freue ich mich, sie zu sehen. Wir schwatzen fröhlich drauflos.
Sie erzählt von ihren hundertzwanzig Schafen, die sie einmal hatte. Ich von den
Kühen und den Bullen. Und von der Arbeit, die mir auch so viel Spaß gemacht
hat, als ich noch auf dem Hof war.
„Unser
Bulle ist ein Charolaiszuchtbulle”, erzähle
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