Cafe con Leche
Gesetzes mahlen langsam, aber stetig! Und wir hängen ganz schön
dazwischen! Wie gut, dass es noch Politiker gibt, die sich fürs Volk
einsetzten! Partei hin, Partei her! Dieser Ministerpräsident hat sich
wenigstens unserer Sache angenommen! Sollten wir wirklich länger als drei
Wochen unterwegs sein, können wir einigermaßen mit der Kürzung leben. Wie gut,
dass wir in der letzten Zeit äußerst sparsam gelebt haben! So konnten wir fürs
Pilgern ein paar Euros zurücklegen. Vielleicht schaffen wir es ja doch
innerhalb der sechs Wochen. Im Glauben, finanziell abgesichert zu sein,
starteten wir. Aber nicht mein Glaube zählt! Die Realität hat mich hier am
Bankautomaten in Ponferrada eingeholt!
Geknickt
sitzen Chris und ich vor dem Computer und wissen nicht weiter.
„Ich
habe noch hundert Euro”, sagt sie.
„Und
ich nur noch knapp fünfzig Euro. Lass uns zu Abend essen, dann sehen wir
weiter.”
Wir
gehen in den Hof. Dennis sitzt auf einer Bank. Brian lässt sich seine Füße
massieren. Oh, was für ein wohltuendes Wort. Massieren! Die Hospitaleros vom
Empfang sitzen an zwei Tischen. Einer behandelt die Wunden und Blasen, der
andere massiert wohlwollend den Pilgern die Füße. Christine und ich setzen uns
auf einen der leeren Stühle und warten, wie in einer Arztpraxis, auf eine
wohltuende Massage.
Mister Rabiato kriegt
jedes Wehwehchen in den Griff
Drei Pilger sind noch
vor uns. Dann ist Chris beim Fußdoktor an der Reihe. Salben, Pflaster,
Pinzetten und vieles mehr liegen auf seinem Tisch. Chris hat zwei kleine Blasen
und als er ihre Fußsohle behandelt, bekommt sie einen Lachkrampf. Ihr Lachen
motiviert ihn, sein Bestes zu geben, was Chris noch mehr zum Lachen und
Kreischen bringt. Diesen Gaudi muss ich erst einmal
mit der Kamera festhalten.
Dann
ist die Reihe an mir. Ah! Entspannen! Die Augen schließen und die Massage genießen,
denke ich nichts ahnend und strecke ihm meinen sauberen Fuß entgegen. Da habe
ich mich aber gewaltig geirrt! Von wegen Entspannung! Er nimmt meinen Fuß,
rubbelt hier, knetet da.
„Aua!”,
rufe ich. „Das tut weh!”
Er
lacht und knetet weiter hoch zur Wadenmuskulatur. Wo bleibt meine Entspannung?
Nichts dergleichen! Überall, wo seine flinken Hände die Beine berühren, tut es
weh. Er gibt mir zu verstehen, dass ich mehr trinken müsse. Öfters kleine
Schlucke, nicht so viel auf einmal! Ich nicke brav und rufe wieder: „Aua!”
Aus
meiner Fußmassage wird eine Waden- und Oberschenkelmassage, was ich trotz des
manchmal aufkommenden Schmerzes gar nicht so unangenehm finde. Meine Beine sind
durchgewalkt und eingecremt. Ich spende fünf Euro, da Chris auch noch eine
Massage möchte und ich die so selbstlose Hilfe für uns Pilger als nicht
selbstverständlich sehe.
Donativo!
Geben und nehmen!
Als
er Christines Fußsohle nimmt, fängt sie wieder zu lachen an. Er lacht zurück,
knetet und massiert ihre Beine genauso, wie bei mir. So eine nette und lustige
Massage- und Arztbehandlung haben wir noch nicht gehabt. Anschließend gehen wir
in die Küche und bereiten das Abendessen zu. Viele Pfannen und Töpfe stehen auf
den beiden Herden. Es wird gebrutzelt und gekocht. Wir bereiten uns Nudeln und
einen Salat zu. Beim Abendessen besprechen wir alles Weitere. Dann gehen wir
noch einmal an den Computer. Chris sucht die morgige Strecke heraus. Wir können
mit dem Bus über Lugo nach Sarria fahren. So sparen wir das Geld für mindestens
drei oder vier Tage. Das sind circa einhundert Kilometer. Dann gehen wir in den
Hof.
Dennis
sitzt immer noch auf einer Bank und wir setzen uns zu ihm. Als wir ihm von
unserer finanziellen Misere erzählen, ist er genauso geknickt wie wir. Wir
tauschen unsere E-mail-Adressen aus. Beim Abschied drücken wir uns herzlich.
Für Chris tut es mir leid. Sie hat sich gut mit ihm verstanden. Wir holen die
Wäsche von der Leine und gehen betrübt in unser Schlafgemach. Das junge
Pärchen, mit dem wir uns das Zimmer teilen, ist wohl heute gestartet. Die
Schuhe sind noch nicht mit Staub bedeckt und die Haut der beiden ist auch noch
ziemlich hell. Mir ist nicht nach Reden zumute. Christine ist auch still
geworden. Jeder hängt seinen Gedanken nach. So bleibt die Konversation mit den
anderen kurz, aber höflich. Wir packen unsere Rucksäcke für morgen und dann
liegen wir beide früh im Bett.
Ich
könnte weinen. Alles war bis jetzt so gut. Nun geraten wir in finanzielle Not
durch die Willkür des Amtes. Bis nach Finisterre können wir nicht
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