Cafe con Leche
kommen die vielen Gespräche mit
den Damen vom Amt in den Sinn. Sie können nicht mehr als drei Wochen pilgern,
sagte eine Sachbearbeiterin zu mir, als ich ihr mitteilte, dass ich mit meiner
Tochter pilgern wolle. Das geht nicht! Sie dürfen nur drei Wochen Urlaub
machen!
Wir
machen keinen Urlaub, erwiderte ich. Das kann ich mir mit meinen drei Kindern
gar nicht leisten. Ich möchte Ende Juni mit meiner mittleren Tochter pilgern!
Gesetz
ist Gesetz! Wie lange bleiben sie denn fort ?, war die
nächste Frage.
Ich
dachte an die achthundert Kilometer, die wir gehen wollten, und sagte: „Das
kann ich Ihnen so nicht beantworten. Vielleicht schaffen wir es in einem Monat,
wieder hier zu sein. Vielleicht sind wir aber auch länger fort. Ich weiß es
nicht.”
Da
wurde die Sachbearbeiterin aber hellhörig. „Tja, da werden wir Ihnen aber nach
drei Wochen Pilgern die Unterhaltszahlung kürzen! Nach sechs Wochen wird die
Weiterzahlung gänzlich eingestellt. Sie beide müssen dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung stehen! Das müssen Sie verstehen!“
Aber
ich verstand gar nichts. Den Urlaubsantrag, den die Sachbearbeiterin mir die
ganze Zeit unter die Nase hielt, unterschrieb ich auch noch nicht.
Zuhause
setze ich mich hin und schrieb in meiner Not und Naivität mehrere
Bundestagsabgeordnete an. Ich will mit meiner Tochter den Jakobsweg pilgern und
keinen Urlaub machen! Achthundert Kilometer schaffen wir sicherlich nicht in
drei Wochen. Wirkt da die finanzielle Einbuße in unserem Fall nicht
einschränkend auf die Glaubensfreiheit? Bitterböse Briefe kamen von
verschiedenen Bundestagsabgeordneten zurück. Von wegen! Eine
Hartz-IV-Empfängerin, die auf Kosten anderer Steuerzahler einen Pilgerurlaub
machen will! — Zwischenzeitlich hatte ich von meiner Krankenkasse, erfahren,
dass ich gar keine Harz-IV-Empfängerin sein könne, da ich als selbstversicherte
Person gelte. Sie müssen beim Amt als Sozialhilfeempfängerin geführt werden!
Leute die Harz-IV beziehen, werden vom Amt krankenversichert. Sie aber sind bei
uns als selbstversicherte Person geführt. Aufgrund dessen können Sie gar keine
Harz-IV-Empfängerin sein! Sie stehen dem Arbeitsmarkt gar nicht mehr zur
Verfügung!
Aha!
Mir schwirrt der Kopf; ich verstehe immer noch nicht. Und, was bin ich denn
jetzt nun? Harz-IV-Empfängerin? Sozialhilfeempfängerin? So war also der Stand
der Dinge Ende Mai! Dann erhielt ich eine Rückantwort von einem der Ministerpräsidenten.
Er räumte mir in seinem Brief schriftlich ein, dass es im Ermessen des hiesigen
Amtes läge, für mich und meine Tochter eine finanzielle Fortzahlung während des
Pilgerns zu gewährleisten. Aha! Vielleicht wendet sich ja das Blatt zum Guten?
Können wir doch noch getrost pilgern? Frohen Mut, Gott ist gut !, denke ich euphorisch und gehe mit dem Brief des
Abgeordneten zum Amt. Dank der Auskunft meiner Krankenkasse kann ich auch der
Sachbearbeiterin mitteilen, dass ich Sozialhilfeempfängerin bin.
Sie
blättert intensiv meine Akte durch.
Ach
ja, hier steht es ja! Richtig! Zurzeit sind Sie Sozialhilfeempfängerin!
Ich
zeigte ihr den Brief des Ministerpräsidenten. Wortlos überflog sie ihn.
Aber
Ihre Tochter ist Harz-IV-Empfängerin und die darf nur für drei Wochen vom
Wohnort wegbleiben !, bekam ich zu hören.
Und
das Geld? Ist das denn wenigstens für die ersten drei Pilgerwochen gesichert?
Ja,
ja! Die finanzielle Kürzung tritt erst dann ein, wenn Sie sich nach drei Wochen
noch nicht an Ihrem Wohnort aufhalten, beteuerte sie mir.
Zwei
Wochen später erhielt ich die schriftliche Mitteilung vom Amt, ohne finanzielle
Einbuße meinem Wohnort bis zu siebzehn Wochen fernbleiben zu dürfen. Da hat
wohl der Brief vom Ministerpräsidenten gefruchtet, dachte ich. Nur, was ist denn
jetzt mit meiner Tochter?
Wieder
geht es zum Amt! Ich kann bald nicht mehr. Dieses ganze Hin und Her zerrt an
meinen Kräften. Christine begleitet mich diesmal. Leider ist meine
Sachbearbeiterin seit einem halben Jahr erkrankt! So treffe ich wieder eine
andere Dame an.
Sie
können siebzehn Wochen gehen, sagte sie mir. Für Ihre Tochter jedoch tritt nach
drei Wochen die finanzielle Kürzung ein!
Dann
ist ja jetzt wohl soweit alles in Ordnung, erwiderte ich erleichtert.
Ja,
ja. Sie können auch gerne zu meinem Kollegen gehen. Der rechnet Ihnen die
Kürzung aus.
Christine
und ich unterschrieben jeweils unseren Urlaubsantrag. Eine Tür weiter rechnete
der Kollege mir die Kürzung aus.
Nochmals
Vielen Dank!
Die
Mühlen des
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