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Cafe con Leche

Cafe con Leche

Titel: Cafe con Leche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agathe Hanses
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einen großen Teil zu
unseren Spannungen beigetragen habe. Sei es in Logroño oder auf dem Weg nach
Astorga. Du siehst immer nur den Dorn im Auge des anderen, fällt mir dazu ein.
Aber deinen eigenen Balken siehst du nicht! Zieh zuerst den Balken aus deinem
Auge, dann kannst du klarer sehen! So will ich nun die Mutter sein, die alles
Gute für ihre Tochter will. Aber ich glaube, dass dies mein Selbstbetrug ist,
denn wenn ich wirklich zu mir ehrlich sein will, schlage ich Christine oft
Dinge vor, mit denen es mir besser geht.
    So
trotte ich gut dreihundert Meter hinter Chris her und stelle fest, dass das ach
so gut gemeinte, doch wohl öfters für mich das Richtigere ist, als für Chris.
Diese Erkenntnis schmerzt! Das gibt mal wieder ein Stück Arbeit, daran etwas zu
ändern! Anderseits bin ich froh, dass der Camino mir die Möglichkeit gibt, mein
Mutterleben aus der Distanz zu sehen.
    Ich
gehe etwas schneller, um Chris nicht aus den Augen zu verlieren. Sie ist doch
die bessere Navigatorin! An der Estación de Autobusses sitzt sie auf einer Bank
und winkt mir lächelnd zu. Die Welt ist wieder in Ordnung! Schweigend setze ich
mich zu ihr und drücke ihre Hand.
    „Entschuldige”,
sage ich. „War nicht so gut und fair von mir, dich so anzubrüllen.”
    „Ach
Mama! Ist schon gut”, sagt Chris und drückt mich. „Wir werden das alles schon
schaffen!”
    Ich
mag jetzt nicht über das Amt reden und nicke nur. Dann gebe ich ihr einen
dicken Kuss auf die Wange.
    Der
Busbahnhof ähnelt eher einem Flughafen und die Busse sehen wie amerikanische
Greyhoundbusse aus. Von hier aus werden Strecken bis nach Mailand und weiter
zurück gelegt. Das sind mehr als acht Stunden Busfahrt. Und wie am Flughafen
ertönen aus vielen Lautsprechern die nächsten Abfahrts- oder Ankunftszeiten der
Busse.
    „Was
nun?”, frage ich. Mehr kann ich nicht sagen. Ich fühle mich durch meine
Erkenntnis elend.
    „Die
Billets können wir da vorne an dem Schalter kaufen”, sagt Chris.
    „Dann
gehe ich mal los und hole die Fahrkarten. Du kannst ja schauen, ob wir hier
irgendwo etwas zu Trinken holen können.” Ich gehe Richtung Schalter. Auf einer
der vielen leeren Bänke sehe ich einen herrenlosen Schuhkarton stehen.
    So
ganz alleine? Ich gehe weiter zum Schalter. Fünf Minuten später habe ich für
neunzehn Euro die Fahrkarten für uns beide erstanden. Das Busfahren ist hier
Gott sei Dank nicht so teuer. In drei Stunden werden wir an die hundert Kilometer
weiter sein und mindestens hundert Euro für vier Tage gespart haben. Auf dem
Weg zurück komme ich wieder an den Bänken vorbei. Der Schuhkarton steht immer
noch da. Was, wenn da eine Bombe drin ist? Chris hat mich mit der ETA schon
ganz verrückt gemacht. Auf dem Weg nach Logroño erzählte sie mir, dass die ETA
dort einen Bombenanschlag vor Jahren verübt hat. Nun spukt mir bei allem, was
mir seltsam scheint, die ETA durch den Kopf. Ich muss noch einmal zurück zum
Schalter, denn ich habe vergessen zu fragen, von welchem der vielen Bahnsteige
der Bus abfährt. Wieder an dem Schuhkarton vorbei!
    Wenn
der in die Luft fliegt, bin ich sofort weg und Chris, die viel weiter hinten
auf der Bank sitzt, wäre bestimmt schwer verletzt, male ich mir das Szenario im
Kopfe aus.
    Jetzt
mach dich nicht verrückt, sondern geh zum Schalter!
    Unser
Bus fährt von Bahnsteig drei. Zurück beachte ich demonstrativ den Schuhkarton
nicht, obwohl mir immer noch mulmig zumute ist. So laufe ich dann doch etwas
schneller an der Bank vorbei. Als ich endlich wieder bei Chris bin, muss ich
ihr doch von meinen Hirngespinsten erzählen. Diesmal ist sie diejenige, die zu
mir sagt: „Mama, du kannst dich aber auch verrückt machen!”
    „Wer
hat denn zuerst mit der ETA angefangen?”, frage ich scherzhaft zurück.
    Dann
gehen wir ins Nebengebäude. Dort gibt es ein kleines Restaurant. Ein Pärchen,
das auch den Camino geht, sitzt an einem der Tische. Als der junge Mann uns
sieht, kommt er auf uns zu. Seine Freundin hat starke Rückenschmerzen. Ob wir
vielleicht eine Schmerztablette dabei haben. Ich gebe ihm zwei Tabletten und
wünsche der Freundin gute Besserung.
    Nach
einer Tasse Café con leche und einer Zigarette ertönt aus den Lautsprechern die
Ankunft unseres Busses. Kurze Zeit später sind wir auf der Autobahn Richtung
Lugo. Von dort geht es mit einem anderen Bus über die Dörfer nach Sarria. Gegen
siebzehn Uhr erreichen wir den Ort. Der Weg zur Herberge führt ungefähr zwei
Kilometer steil nach oben. Unterwegs

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