Café der Nacht (German Edition)
genau angesehen, wenn sie nebeneinanderstanden? Ist dir da nichts aufgefallen?“
„Wie meinst du das?“
„Herrje, Maxim, du rennst aber auch mit Scheuklappen durch die Welt. Hast du wirklich nicht gemerkt, dass sie sich irgendwie ähnlich sehen? Nicht so, dass es offensichtlich ist. Aber wenn man genau hinsieht und eins und eins zusammenzählt ...“
„Sie sind verwandt?“ Maxim starrte ihn fassungslos an.
„Merlyn tippt auf Cousine, aber ich persönlich glaube, Dela ist Monroes Tante. Wenn du mal ein Bild von Lola siehst, ist alles klar.“
„Du meine Güte.“ In Maxims Kopf ratterte es förmlich. „Dann heißt er ja gar nicht wirklich Monroe. Dann wäre sein Nachname Morgan.“
„Wer weiß. Er hat ja auch noch einen Vater. Aber über den scheint niemand etwas zu wissen. Geht uns ja eigentlich auch alles nichts an.“ Rufus zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Lass dir bloß nie anmerken, dass du das von seiner Familie weißt. Kann gut sein, dass du dir sonst ein paar einfängst.“
„Von mir aus, wenn das bedeutet, dass er zurückkommt.“
„Teufel auch.“ Rufus betrachtet ihn halb anerkennend. „Kleiner, sag nur nie, wir hätten dich nicht gewarnt.“
* * *
Mitte März trug sich Maxim erstmals mit dem Gedanken, fortzugehen. Erst war es nur ein unbestimmtes Gefühl, noch kein Entschluss. Aber er begann sich zu fragen, was danach kommen würde, nach seiner Zeit im Café der Nacht. Denn ihm war nun klar, dass sie enden würde, früher oder später. Vielleicht würde er nach Berlin gehen und Kunstgeschichte studieren. Oder ins Ausland. Jedenfalls musste er irgendetwas tun, etwas Sinnvolles. Er war nicht zum Müßiggang erzogen worden. Eine seltsame Unruhe hatte ihn ergriffen. Er war es leid, zu warten.
Nona hatte Merlyn nach Hamburg geholt, um auf ihrem Album Klavier zu spielen, was er nach kurzem Zögern nicht hatte ausschlagen können. Er fehlte im Café, wie so viele der Stammgäste, seit es von Neureichen frequentiert wurde.
Am Tag nach Kikis Beerdigung saß Maxim auf der Bank unter der noch kahlen Kastanie und fühlte die zarte Sonne auf seinem Gesicht, die Augen geschlossen. Der Wind flüsterte von Frühling. Er fühlte sich leer. Das Café blieb heute geschlossen. Donna war nicht in der Lage, zu arbeiten, und das Kätzchen lag mit Fieber im Bett. Über dem alten Haus lag stumme Trauer. Er fühlte sich leer, wie ausgehöhlt. Maxim blinzelte, als es neben ihm maunzte. Desdemona war neben ihm auf die Sitzfläche gesprungen und blickte ihn erwartungsvoll an. Maxim musste lächeln, als er die Hand hob, um sie zu streicheln, und sie sich schnurrend hineinschmiegte. „Jetzt, wo’s mir egal ist, magst du mich auf einmal, du kleines Biest.“
Knapp drei Stunden später, Maxim war auf seinem Pensionszimmer und hatte eine Broschüre über die Universität von Oxford vor sich auf dem Bett aufgeschlagen, öffnete sich ohne vorheriges Anklopfen seine Zimmertür. Maxim sah auf, um sich darüber zu beschweren – und schwieg. Im Türrahmen lehnte Monroe. Einfach so. Den Seesack lässig über der Schulter, sonnengebräunt, und sah so gut aus, wie nie zuvor. „Hey, Max.“
Maxim brauchte ein paar Sekunden, um die Sprache wieder zu finden. Sein Herz begann wie wild zu pochen. „Du bist wieder da!“
Monroe grinste. Maxim sprang auf, ging die zwei Schritte bis zur Zimmertür und umarmte ihn einfach. Monroe zögerte kurz, dann erwiderte er die Umarmung. Maxim atmete den Duft seiner Haut und wollte sich am liebsten vergraben in diesem Augenblick, in dem er seinen Körper spürte, wie nie zuvor. Ihm war bewusst, dass er Monroe viel zu lange festhielt, als unter Freunden üblich, doch Monroe tat auch seinerseits nichts, um sich zu lösen.
„Hey“, lachte er leise an seinem Ohr. „Man könnte fast glauben, du hast mich vermisst.“
„Nicht eine Sekunde.“ Maxim strahlte und konnte nichts dagegen tun. Schließlich trennten sie sich voneinander, etwas verlegen, was Maxim nur schlecht überspielen konnte. „Mann, wieso bist du so braun? Wo warst du? Im Süden?“
„Hier und da.“
„So genau wollte ich es auch wieder nicht wissen.“ Sie grinsten sich an. „Wann bist du angekommen?“
„Gerade eben.“
„Du kommst zuerst zu mir?“
„Lag auf dem Weg.“
Maxim wollte eine Menge sagen, aber momentan schien es wichtiger, Monroe einfach nur anzusehen, als Worte zu formulieren. „Ich dachte die ganze Zeit, dass du mich bestimmt hasst“, meinte er schließlich.
„Okay“,
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