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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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würde!“
    Monroe sprang ruckartig auf, schnappte sich den Artikel und zerriss ihn zum Entsetzen der anderen in kleine Fetzen. Die Überbleibsel schnappte er sich und hielt sie Kristians unter die Nase, unverschämt grinsend, den Teufel in den Augen. „Weißt du, was ich mit deiner heiligen Kritik mache? Ich wisch mir den Arsch damit ab!“
    Und tatsächlich durchquerte er den Raum und verschwand türknallend im Gang, der zu den Toiletten führte.
    Still belustigt tauschten Rufus und Maxim hinter der Bar einen Blick. Maxim hatte keinen Zweifel daran, dass er seinen hitzigen Worten Taten würde folgen lassen. So war Monroe nun mal.

La dolce Vida
     
    Es war der Geburtstag seines Vaters und das erste Mal, dass Maxim nicht mit ihm feierte. Im Grunde war das eine Erleichterung, entging er doch dem etwas steifen Handschlag, der die engste Form körperlicher Zuneigungsbekundung zwischen Vater und Sohn darstellte. Er hatte lange überlegt, ob er seinem Vater schreiben sollte, doch er hatte eine durchaus begründete Angst davor, nach seiner Flucht wieder mit ihm in Kontakt zu treten. Doch nun, da der Kalender den großen Tag verkündete, nagte ein unerwartet schlechtes Gewissen an ihm. Egal, wie sie auseinandergegangen waren, er blieb doch sein Vater. Sollte er nicht Mitleid haben mit diesem schon jung so alten Mann, der so viel im Leben erreicht hatte, und doch niemals glücklich gewesen war? Wie viele Söhne der Familie hatten bereits unter ihren Vätern gelitten? Maxim dachte an seine unangenehm steif portraitierten Ahnen im Treppenhaus der Villa zurück, die Gemälde noch düsterer wirkend durch die dunkle Wandvertäfelung dahinter. Der Stolz des Hauses Meinig. Abweichler wurden diskret und gnadenlos unter schwere Teppiche gekehrt. An diesen mangelte es seinem Elternhaus nicht. Seine Großmutter war eine zähe, alte Dame gewesen. Preußisch streng erzogen, niemals Emotionen zeigend. Sie hatte Maxims Mutter, die ihr von Anfang an zu weich gewesen war, schikaniert und tyrannisiert, wo sie nur konnte. Kurz nach Franziskas Tod hatte sie ihrem Sohn beiläufig beim Abendessen empfohlen, ihr Portrait aus der Galerie entfernen zu lassen. Der Anblick würde ihm doch nur Kummer bereiten. Diese ganze unsägliche Angelegenheit müsse man schnellstmöglich vergessen, nach vorne blicken. Es sei auch so schon unangenehm genug. Die Leute redeten. Friedmar Meinig hatte in Maxims Anwesenheit nur dieses eine Mal seiner Mutter gegenüber die Fassung verloren. Angebrüllt hatte er sie wie ein verletztes Tier, sie aus dem Zimmer hinausgejagt, um dann bitterlich zu weinen. Damals hatte Maxim nicht verstanden, wie er um seine Gattin solche Tränen vergießen konnte, nachdem er sie selbst ständig gemaßregelt und gedemütigt hatte. Doch das Leben, die Liebe kennt viele Grautöne.
    Es war die Erinnerung an diesen Moment, die Maxim letztlich überzeugte, seinem Vater doch noch zum Geburtstag zu gratulieren. Das einzige Telefon im Haus befand sich in Delas geräumigem Wohnzimmer, und die Pensionsbewohner durften es jederzeit benutzen. Maxim war erst selten in Delas Räumen gewesen. Man fühlte sich augenblicklich wohl zwischen den skurrilen, wild zusammengewürfelten Einrichtungsgegenständen. Im Flur stand ein zauberhaftes, ausrangiertes Karussellpferd. An der Wohnzimmerwand hing eine gischtverwitterte Galionsfigur. Und überall duftete es zart nach leichtem Lavendelparfüm.
    Die Behaglichkeit des Wohnzimmers dämpfte wie Balsam Maxims pochende Nervosität, als er den Hörer abhob und die vertraute Nummer wählte. Doch sein Magen verkrampfte sich, als es klingelte. Dann drang aus der fernen Heimat eine bekannte Stimme an sein Ohr.
    „Apparat Friedmar Meinig, Sie sprechen mit Hilda, guten Tag?“
    „Hilda“, atmete Maxim erleichtert auf. „Schön, Ihre Stimme zu hören!“
    „Maxim? Nein, das ist aber eine Überraschung! Ich habe mich so über Ihren Brief gefreut. Ich denke so oft an Sie. Aber Sie möchten doch sicher Ihren Vater sprechen? – Einen Augenblick bitte!“
    Maxim nickte automatisch und hörte ein leises Rascheln, als die Hausangestellte ihre Hand auf den Hörer legte. Im Hintergrund konnte er sie dumpf reden hören, dann erklang ebenso dumpf die tiefe Stimme seines Vaters. Maxim schluckte. Seine Hand schien sofort schweißnass zu werden. Doch als sich wieder jemand meldete, war nicht sein Vater am Apparat.
    „Maxim ... Sie müssen entschuldigen, ich habe mich geirrt. Ihr Vater ist leider außer Haus.“
    Maxim atmete tief

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