Café der Nacht (German Edition)
traute sich nicht, auf ihn zuzugehen. Man konnte nie wissen, wie er reagieren würde. Er konnte ebenso charmant wie kaltschnäuzig sein. Seit seinem ersten Abend im Café hatten sie kaum mehr Worte gewechselt, als nötig waren, um eine Bestellung entgegenzunehmen. Monroe schien kaum wahrzunehmen, dass Maxim überhaupt existierte. Maxim hatte nichts anderes erwartet, und konnte doch nicht umhin, darüber enttäuscht zu sein.
Monroe schien auf seltsame Weise unantastbar zu sein. Wenn es eine wirkliche Gefahr für ihn gab, so kam diese aus den eigenen Reihen. Bei den Revoschizionären braute sich Ärger am Horizont zusammen. Es war offensichtlich, wer in der Truppe der Publikumsmagnet war. Niemand wird gerne von den Zuschauern zum Komparsen degradiert. Besonders Kris Kristians, ein hübscher, rotblonder Revoschizionär, hielt mit seinem Neid kaum noch hinter dem Berg. Er fühlte seine eigeneArbeit viel stärker für den Erfolg der Truppe verantwortlich, als ihm von Kritik und Fans zugestanden wurde, und das fraß an seiner Eitelkeit.
Aus sicherer Entfernung, von der Bar oder aus seiner Nische heraus, beobachtete Maxim mit Interesse das Schauspiel der stetig wachsenden internen Spannung der Truppe. Ab und an saßen sie schon vor Öffnung im leeren Kellergewölbe, um die Themen für die nächste Vorstellung abzustecken. Bei Maxims spätnachmittäglichen Vorbereitungen an der Bar kam er nicht umhin, ihre Unterhaltungen mitzuhören. An jenem frühen Abend, an dem die Welt oberhalb der Kellerfenster von zähen Graupelschauern eingetrübt wurde, saßen die sechs einmal mehr beisammen, an einem Tisch nahe der Bar. Caspar Haus, ein langhaariger Schelm, der leicht lispelte, las einen ausgeschnittenen Artikel aus einer angesehenen Tageszeitung vor, die zu aller Erstaunen eine Kritik ihres Programms veröffentlicht hatte. Als sie hörten, was man dort über sie schrieb, strahlten fünf Gesichter förmlich um die Wette, und ihre Brust schwoll vor Stolz.
„ ... sprühender Witz und sprudelnder Scharfsinn ... gekonnte Sezierung unserer Gesellschaft ... hervorstechend der kongeniale Dean Monroe ...“ Kristians’ Mundwinkel zuckte heftig und ein hämischer Ausdruck verdunkelte seine blauen Augen. Monroe saß lässig am anderen Ende, die Füße auf dem Tisch, und zeigte als Einziger keinerlei Interesse für die Lobeshymnen, die da vorgetragen wurden.
„Abschließend ist zu sagen ... blah blah ... Hochgenuss ... außerordentlich erquicklich ... wird nicht mehr lange ein Geheimtipp bleiben ...“
„Affenscheiße“, bemerkte Monroe trocken, und Caspar verstummte wie ein abgewürgter Motor. Erstaunt wandte die gesamte Truppe den Blick ihrem Anführer zu.
„But Darling, das ist doch fantastique !“ Jeudi, eine flachbrüstige Brünette, deren Markenzeichen das Jonglieren mit mehreren Sprachen war, blinzelte ihn verwundert an.
„Das ist die beste Kritik, die wir je hatten!“, pflichtete Anders, der besonnenste Revoschizionär, ihr bei.
„Na und? Schlechte Kritiken habt ihr doch nie ernst genommen. Und das wollt ihr euch jetzt einrahmen? Vielleicht Mami eine Kopie davon schicken?“
Toblerone, er war dick und trug mit Stolz eine peinliche, zentimeterdicke Hornbrille, nickte bedächtig. „Äh, doch. Eigentlich schon.“
„Herrgott nochmal!“ Monroe ließ knallend seine Beine vom Tisch fallen und die anderen zuckten zusammen. „Da kommt irgendein dahergelaufener Anzugfatzke und schreibt, dass ihr gut seid, und schon wedelt ihr brav mit dem Schwanz wie die Sofapudel!“
„Da ist endlich mal ein Kritiker, der uns verstanden hat, und das passt dir auch nicht! Ich versteh es nicht, Mann!“
„Oh, die verkannten Genies werden endlich gewürdigt. Nach sechs Monaten mit ausverkauftem Haus hat endlich einer erkannt, wie toll wir doch sind. Ihr seht mich frohlocken.“
„Jeder braucht halt Bestätigung“, schaltete sich Caspar versöhnlich ein. „Ist doch nur natürlich!“
„Tatsächlich. Bekommst du die etwa nicht von den Leuten, die dir applaudieren?“
„Das ist etwas anderes.“
„Ganz genau“, erwiderte Monroe scharf. „Das ist es, was zählt. Das ist alles , was zählt.“
Nachdenkliches Schweigen folgte. Jeudi wackelte verunsichert mit dem Näschen, Anders nickte für sich, und Caspar warf den Zeitungsausschnitt kommentarlos auf den Tisch.
„Du hast leicht reden, Mr. Oberego“, meldete sich schließlich Kristians feindselig zu Wort. „Tu bloß nicht so, als ob dir Kritikerlob gar nichts bedeuten
Weitere Kostenlose Bücher