Café der Nacht (German Edition)
durch, während Erleichterung sich mit Verletztheit zu mischen begann. „Tja dann ...“ Seine Stimme klang betont heiter. „Dann können wir ja jetzt in Ruhe plaudern!“ Er ließ sich dankbar vom nun folgenden freundlichen Gespräch einlullen und erfuhr einiges über Hildas zahlreiche Enkelinnen und Neffen. Erst, als er Minuten später aufgelegt hatte, sank er im Stuhl zusammen und schloss die Augen. Es schmerzte ihn mehr, als er sich selber eingestehen wollte. Sein Vater hatte sich verleugnen lassen. Natürlich hatte er ihm nicht verziehen, dass er fortgegangen war. Aber dass er ihn so sehr verachtete, ihn nicht zur Rede stellen wollte, nicht sprechen ... Nicht einmal an seinem Geburtstag. So also lagen die Dinge zwischen ihnen. Er fragte sich, wie sein Vater es immer wieder fertigbrachte, dass er sich wertlos und abscheulich fühlte, ohne auch nur das Geringste dafür tun zu müssen.
* * *
In den folgenden Tagen war Maxim still und in sich gekehrt. Er verbrachte den Großteil seiner Freizeit auf seinem Zimmer und vermied jedes längere Gespräch. Sogar Rufus fiel das auf. „Du musst mal raus hier, Kleiner. Du kannst nicht die ganze Zeit im Café hocken. Da draußen ist eine Stadt.“
Maxim lächelte leicht, doch sein Gesicht blieb dabei ernst. „Nicht heute.“
„Ich kann dir versichern, die Stadt ist immer da. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.“
„Würdest du bitte aufhören, mich aufheitern zu wollen?“
„Na schön. Ganz, wie du willst.“ Rufus warf ihm noch einen Blick zu und verschwand in Richtung der Lagerräume. Maxim blieb seufzend zurück. Seit dem Anruf zuhause fühlte er sich einsam. Es war die Art von Einsamkeit, bei der es keine Rolle spielt, wie viele Menschen um einen herum sind. Dabei hatte sich Maxim mittlerweile ganz gut eingewöhnt und fühlte sich unerwartet wohl in dem seltsamen Künstlerhaus. Er hatte das alte Viertel erkundet, ein paar Mal die Innenstadt besucht, doch im Grunde hatte er noch recht wenig von München gesehen. Im Vergleich zu seiner beschaulichen Heimat verhielt sich die Großstadt wie ein Ozean zu einem Dorftümpel. Die Menschen waren anders hier. Dort draußen kannte niemand den anderen, man lebte nebeneinander her und aneinander vorbei. In Bayreuth entging der neugierigen Nachbarschaft kein Hüsteln in der Nacht.
Unversehens bekam er Gesellschaft an der spätnachmittäglich leeren Bar. Monroe schwang sich auf einen Barhocker und steckte sich eine Zigarette an. Er breitete eine mitgebrachte Tageszeitung aus, die, wie Maxim mit einem Blick bemerkte, vom vergangenen Donnerstag war. Während Maxim hinter der Bar hantierte, warf er immer mal wieder einen verstohlenen Blick auf den bildhübschen Schauspieler. Er konnte einfach nicht anders, als ihn anzusehen. Monroe sah plötzlich von seiner Lektüre auf und Maxim erstarrte, ertappt.
„Was?“, fragte Monroe barsch.
Maxim schluckte. „Nichts.“
„Was glotzt du mich dann dauernd an, Meinig?“
Maxims Herz schlug heftig. Er kam sich reichlich dumm vor. „Irgendwo muss ich ja hinschauen.“
„Ist ein großer Raum.“
„Und du sitzt mir direkt vor der Nase.“
„Störe ich etwa deine Kreise?“
„Nein“, erwiderte Maxim, ein wenig zu eilig. „Gar nicht!“
Monroe sah ihm direkt in die Augen und schenkte ihm sein unwiderstehliches, kleines Räubergrinsen. Das verfehlte seine Wirkung nicht. Maxims ohnehin schon rasendes Herz begann zu flattern. In genau diesem Moment fasste er einen Entschluss. Es reichte jetzt, ein für alle Mal. Er konnte nicht so weitermachen, Monroe insgeheim anhimmeln. Diese ganze Sache hatte keinerlei Aussicht auf Erfolg, und alles, was geschehen würde, war, dass Maxim sich nur unnötig quälen würde, vielleicht monatelang. Er hatte noch nie eine Beziehung gehabt, war einmal schon unglücklich verliebt gewesen. Er war sich nicht ganz sicher, was genau er für Monroe empfand. Da war an erster Stelle Respekt, sicherlich ein wenig zu viel davon. Dann Bewunderung für sein Talent und seine unbezähmbare, selbstbewusste Art. Und schließlich, nicht zu knapp, ein tiefes, flüsterndes Verlangen, das er sich selbst kaum einzugestehen vermochte. Er hatte niemals so empfunden, ein so dunkles Zehren, das ihn fast körperlich schmerzte. Wie eine Haube über allem saßen Verwirrung und Verunsicherung. Er wollte nicht so für Monroe empfinden. Bei ihm hatte er keine Chance, das war ihm vollkommen klar. Und selbst wenn, Monroe flirtete mit allem, was zwei Beine hatte, und
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