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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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Seine Freunde von damals waren in alle Winde verstreut, versunken in neue Leben, in denen die Vergangenheit keinen Platz mehr zu haben schien. Auch er war vorwärtsgegangen. Doch hier an diesem Ort sah er sich schlagartig mit einer Erkenntnis konfrontiert, die er all die Jahre nicht hatte wahrhaben wollen: dass es vielleicht doch manchmal nur eine große Liebe gibt, die nichts und niemand je ersetzen kann.
    Maxim raffte sich dazu auf, endlich die oberen Etagen in Augenschein zu nehmen. Delas ehemalige Wohnung war von Grund auf renoviert worden, die Wände weiß gekalkt. Nichts erinnerte mehr an damals. Als hätte sie auslöschen wollen, dass sie jemals hier gelebt hatte. Irgendwie konnte Maxim das sogar verstehen. Er ging zu Vidas kl einem Zimmer . Gähnende, triste Leere erwartete ihn auch dort. Er seufzte und ließ sich gegen den Türrahmen sinken. Er wusste nicht, was er vorzufinden erhofft hatte. Vielleicht irgendein Überbleibsel, wie einen verbliebenen Hauch ihres betörenden Parfüms. Irgendeine Spur mussten sie doch alle hinterlassen haben in diesem Haus. Der Raum jedoch roch nach gar nichts mehr, nur schlecht gelüftet und kalt. Maxim fühlte sich mit einem Mal alt, und das behagte ihm gar nicht.
    Er trat ans Fenster und stutzte. Es lag ein Umschlag auf dem Fensterbrett. Vorsichtig öffnete er ihn. Nur ein Foto fand sich darin. Aber was für ein Foto. Es zeigte sein zwanzig Jahre jüngeres Ich in einer der Nischen unten, neben ihm Ariel. Sie lächelten brav in die Kamera. Ganz am Rand saß Monroe, der nicht in die Kamera schaute. Er sah Maxim an, nachdenklich wie sonst kaum. In seinen Augen lag unverkennbare Zuneigung. Maxim ließ das Foto sinken und atmete tief durch. Weshalb hatte Dela gerade ihn ausgewählt? Was hatte er schon Großartiges für das Café der Nacht getan? Er war gegangen, wie sie alle. Er hatte gehen müssen, hatte versucht, der schrecklichen Tragödie davonzulaufen, die zur Schließung des Cafés geführt hatte. Und seiner Mitschuld daran. Doch die Schuld war noch hier. Sie hauste oben in der leeren Mansarde, durch die der Wind fegte. Sie flüsterte durch die Stille im Treppenhaus. Es war eine kurze Reise gewesen, zurück nach München. Doch die innere Reise zurück, deren Weg war unsicher, dunkel und lang.

Delas Geheimnis
     
    D A M A L S
     
    Am Tag, nachdem Maxim Monroes weibliches Alter Ego Vida kennengelernt hatte, erwachte er wie erschlagen am späten Vormittag, einen schalen Geschmack im Mund. Er hatte von seiner Mutter geträumt, vom Wasser eines schwarzen Sees. Etwas hatte sie gepackt und hineingezogen, und Maxim hatte sie nicht halten können. Ihre Finger waren seinem verzweifelten Griff entschlüpft. Schreiend war sie in den Untiefen versunken. Nur ihr weißes Kleid war zurück an die Oberfläche getrieben, im dunklen Wasser schwebend wie ein Geist.
    Maxim setzte sich ächzend auf und rieb sich das Gesicht. Sein Herz raste noch immer. Er hatte häufig solche Albträume, und jedes Mal hing ihm der Schrecken lange nach. Doch als er verschlafen im Bad stand und sich blinzelnd im Spiegel anblickte, fiel ihm siedendheiß ein, was am Vorabend geschehen war. Vida. Vida, die eigentlich Monroe war. Und er war darauf hereingefallen. Sein Magen krampfte sich ruckartig zusammen. Ihm wurde so flau, dass er für einen Moment glaubte, sich übergeben zu müssen.
    In der Wohnküche setzte er sich zu Fidelikus an den wackeligen Tisch.Der Maler war selbst für Café der Nacht-Verhältnisse ein schrulliger Sonderling. Seiner hageren Gestalt entströmte ein ältlicher Geruch, weshalb besonders das Kätzchen angewidert seine Nähe mied. In den Weiten seiner farbklecksüberhäuft en Latzhose schien sein Körper zu schwimmen. Nur wer genau hinsah, bemerkte, dass in den trüben Augen kräftig der Schalk blitzte. Er war eigentlich Landschaftsmaler, verdiente seinen Unterhalt jedoch vornehmlich mit der Illustration von Kinderbüchern. Maxim mochte ihn irgendwie.
    Es herrschte verschlafene Ruhe in der Wohnung. Merlyn kam schlaftrunken im Seidenmorgenmantel hereingetapst, goss sich den letzten Rest des längst erkalteten Kaffees ein, und ließ sich schwer auf den Stuhl neben Maxim fallen. Er sah furchtbar aus. Seine Augenlider waren geschwollen und seine Nasenspitze leicht gerötet, als hätte er kurz zuvor geweint.
    „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Maxim.
    Merlyn starrte melancholisch in seinen Becher und schüttelte lediglich den Kopf.
    Fidelikus knickte eine Ecke seiner Zeitung um und lugte

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