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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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aus dem Biest wäre schlagartig die Schöne geworden.
    „Also entweder bestellst du jetzt was, oder du schiebst deinen Arsch aus dem Weg“, wurde er unvermittelt barsch von Donna angefahren. Er merkte, peinlich berührt, dass sich hinter ihm brav eine kleine Schlange von Gästen gebildet hatte, die sich an der Theke etwas holen wollten. Errötend machte er einen Schnellstart in Richtung Vidas Ecke. Als sie ihn bemerkte, verabschiedete sie sich von den anderen.
    „Hallo“, grüßte er klein.
    „Maxim. Bist du soweit?“
    „Eigentlich nicht“, antwortete er wahrheitsgemäß.
    Vida schmunzelte. „Genau so muss es sein.“
    Maxim ging mit ihr zum Ausgang und hielt ihr, ganz automatisch, wie man es bei einer echten Dame tut, die Haustür auf.
     
    * * *
     
    „Also, wie lange willst du noch so weiter schweigen?“, fragte Vida mit leisem Lächeln, als sie unterwegs zur Tramhaltestelle waren.
    „Aber ich hab doch schon etwas gesagt!“
    „Ja und nein gilt kaum als Konversation, mein Lieber.“
    „Ich weiß nicht genau, wie ich mich verhalten soll.“
    Der Klang ihrer Absätze hallte durch die enge Gasse. Sie bewegte sich selbstsicher und elegant. „Du bist ehrlich, das gefällt mir.“
    Maxim lächelte verlegen. „Das hat mir auch schon Ärger eingebracht.“
    „Darauf möchte ich wetten.“
    Es war ein kalter, klarer Frühjahrsnachmittag, der davon kündete, dass es bald schon wärmer und grüner werden würde. Eine Windböe blies Vida das dunkle Haar ins Gesicht, sie strich es sich hinters Ohr. „Erzähl mir, warum du nach München gekommen bist, Maxim.“
    „Das ist eine lange Geschichte.“
    „Gib mir die Highlights.“
    Er lächelte leicht. Er war sich immer noch unsicher, wie er mit Vida umgehen sollte. Doch ihre Augen waren offen und freundlich, keine Spur von dem spöttischen Ausdruck, den Monroes Augen oft hatten. Was für ein seltsames, verwirrendes Spiel dies war. „Meine Mutter war Münchnerin. Ich dachte, wenn ich reisen will, dann sollte ich hier anfangen. Ich wollte sehen, wo sie aufgewachsen ist.“
    „Hier im Viertel?“
    „Nein.“ Er musste lächeln. „Nein, die Familie wohnt in Alt-Bogenhausen.“
    „Und du ziehst die noble Sterntalergasse den schnöden Villen vor?“
    „Ich bin noch gar nicht dort gewesen. Bei den schnöden Villen. Ehrlich gesagt mag ich schnöde Villen nicht besonders.“
    „Natürlich. Wer tut das schon.“
    „Ich habe da so meine Gründe. Ich bin in einer aufgewachsen.“
    Vida sah ihn an, als ob sie verstünde. Als ob sie genau wusste, was das hieß.
    „Ich wollte neu anfangen, weißt du. – Nein, ich musste neu anfangen. Ich musste fortgehen.“ Er wusste selbst nicht, weshalb er ihr das anvertraute. Es war, als würde Vida einen ganz eigenen Zauber ausstrahlen. Rufus hatte recht, sie war wie ein vollkommen eigenständiger Mensch. Sie wirkte so klug und empfänglich. Man hatte das Gefühl, man könnte mit ihr über alles reden. Er konnte kaum fassen, dass er das tatsächlich tat.
    „Und du bist direkt im Café der Nacht gelandet.“
    „Komisch, oder? Als wäre es Schicksal gewesen.“
    „Schicksal.“ Sie lächelte gedankenvoll in sich hinein.
    „Du glaubst nicht daran?“
    „Ich glaube an Veränderung.“
    „Und wenn es eine schicksalhafte Veränderung ist?“
    Vida lachte, das weiche Lachen einer Frau. „Dann müsste entweder alles Schicksal sein, oder gar nichts.“
     
    * * *
     
    Vidas München fand sich abseits von Fremdenführergefilden. Abseits von Frauenkirche, Marienplatz, Residenz und Feldherrnhalle. Es bestand aus versteckten Künstlerateliers in Hinterhöfen, aus kleinen, feinen Galerien, ausgefallenen Szenekneipen, Seitenstraßen voller Überraschungen, archäologisch untersuchungswerten Secondhand-Läden und winzigen, freien Theatern. Vidas München war eine Stadt in der Stadt, und nicht jeder konnte sie finden. Nicht jeder konnte ohne Weiteres ihre Tore passieren. Doch sie schien alle Schlüssel zu besitzen.
    An jenem Nachmittag nahm sie Maxim mit ins Atelier des inklusive der Schnürsenkel vollkommen grau gekleideten, einarmigen Bildhauers namens Marcel. Er baute bizarre Objekte und Turmgebilde vollständig aus herkömmlichen Verpackungsmaterialien. Es roch dort durchdringend nach Karton und benebelndem Alleskleber. Maxim wusste über Kunst genau so viel, wie man in der Schule darüber lernte, im Prinzip also rein gar nichts. Während Marcel ihm wortreich seiner Bauten tieferen Sinn und gesellschaftskritischen Ansatz zu

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