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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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darüber hinweg zu ihnen hinüber. „Was denn, was denn, Junge“, äußerte er sich mit seiner brüchigen Reibeisenstimme. „Immer noch Liebeskummer? An eine m schlechten Kraut ist noch keine Geiß verreckt!“
    Merlyn schwenkte das bittere Gebräu in seinem Becher und seufzte. „Du bist ja nicht die Geiß, mein Lieber. Heute wären wir ein Jahr zusammen gewesen.“
    „Janus und du?“ Maxim sah ihn unbehaglich an. Der androgyne Pianist nickte trübsinnig.
    „Merlyn, wenn du heute doch lieber nicht in die Stadt gehen willst ...“ Insgeheim hoffte er, dem Treffen mit Vida nun glücklich zu entkommen.
    Merlyn blickte ihn trübsinnig an. „Ehrlich gesagt, ist mir wirklich nicht danach zumute. Vida wollte mich damit zwar ablenken. Aber ich glaube, heute muss ich mich einfach verkriechen.“
    „Das verstehe ich. Wir können das ja irgendwann nachholen.“
    „Oh, nicht doch! Bleib du wegen mir bloß nicht daheim! Das kommt überhaupt nicht infrage!“
    „Nein, wirklich ...“
    „Keine Widerrede. Du wirst einen schönen Tag haben und ich werde dir das auf keinen Fall vermasseln.“
    Fidelikus warf einen Blick auf Maxim und schmunzelte, als ob er ahnte, was dem gerade durch den Kopf ging. Doch für Merlyn schien damit alles geklärt zu sein, und so ließ Maxim die Sache voller Unbehagen auf sich beruhen.
     
    * * *
     
    In seinem Bestreben, das bevorstehende Wiedersehen mit Vida so lange, wie irgend möglich, zu verdrängen, lief Maxim zur Höchstform auf. Er begann das Kellergewölbe von der hintersten Ecke bis zum schmalsten Spalt zu schrubben und zu putzen, wie es seit seiner Erbauung vermutlich noch niemals geschehen war.
    „Maxim!“ Irgendwann am frühen Nachmittag baute sich Rufus vor ihm auf und nahm ihm mit halb belustigter, halb ärgerlicher Miene den Putzlappen aus der Hand. „Schluss jetzt! Du wischst mir noch den Boden unter den Füßen weg!“
    „Aber ...“
    „Aus. Du gehst jetzt rauf, ziehst dir etwas anderes an, und hörst auf, die Maus zu markieren!“
    „Aber Rufus! Jetzt, wo ich weiß, dass Monroe Vida ist, wie um Himmels willen soll ich mich da verhalten?“ Maxim fühlte sich, wie unbedarft in eine kafkaeske Groteske hineingeraten. „Ich meine, was soll das alles? Ist Monroe transsexuell?“
    „Nein. Ich glaube, kaum jemand fühlt sich so zuhause in seinem Körper, wie Monroe. Aber er hat eben ein Alter Ego. Hör zu, Vida ist etwas Besonderes, Maxim. Sie ist, wie soll ich sagen ... etwas Eigenständiges. Sie ist wie ein vollkommen eigenständiger Mensch. Sie hat einen eigenen Freundeskreis, ein eigenes Leben. Sie ist eben ... Vida.“
    „Das ist verrückt.“
    „Ich weiß, dass es anfangs so scheint. Ich kann es dir nicht besser erklären. Um zu verstehen, musst du sie schon selbst kennenlernen. Spiel einfach mit.“ Er sah ihn an und schmunzelte. „Oder glaubst du etwa, dass ich sie gebeten habe, dich mitzunehmen, um dic h zu quälen?“
    Maxim gab nur ein unbestimmtes Wimmern von sich.
    „Das ist eine Chance, verstehst du? Vida ist eine Chance. Sie kennt Gott und die Welt, sie kann dir alle Türen öffnen. Wenn du jetzt da rauf gehst und dich darauf einlässt, dann garantiere ich dir, wird dieser Nachmittag unvergesslich werden.“
    Skeptisch blickte Maxim ihn an, dann ließ er geschlagen die Schultern hängen und seufzte kellertief.
    Rufus lachte leise. „Na also.“
    „Wehe, wenn nicht!“
    Rufus grinste nur, machte eine Geste in Richtung Treppe, und Maxim schlich folgsam zum Aufgang davon. Dem großen Unbekannten und seinen schlimmsten Ängsten entgegen.
     
    * * *
     
    Zwar strahlte die Sonne kräftig vor den Fenstern des Kaffeehauses, doch sie vermochte nur die vorderen Tische zu erhellen, während der Rest des Raumes scharf abgegrenzt im Halbschatten lag. Als Maxim kurz vor drei Uhr nachmittags umgezogen von der Pension herunterkam, die Hände schweißnass, hatte sich im hinteren Teil des Raums ein kleines Grüppchen um Vida geschart. Maxim bliebstehen und lehnte sich an die Theke, um aus sicherer Entfernung die Szene zu beobachten. Nun, da er Vida wieder sah, fühlte er sich plötzlich ruhiger werden. Sie strahlte eine offene Freundlichkeit aus. Da war etwas sehr Kultiviertes an ihr, als hätte sie eine sehr gute Erziehung genossen. Sie war als Charakter so rund, so real. Die Illusion war perfekt. Sie war perfekt. Es schien regelrecht abwegig, an Monroe zu denken, wenn man sie sah. Der Schauspieler verschwand vollkommen hinter ihr. Es war, als wäre er verzaubert, und

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